BauSV 4/2021

Zur aktuellen Asbestdiskussion
Grafik 1: Zusammensetzung von Talk mit anderen Mineralien

Rolf Lehmann


Zur aktuellen Asbestdiskussion

Eine Nachlese zum Diskussionspapier des GVSS 2015 und zum Nationalen Asbestdialog


Im Jahr 2015 wurde durch den Gesamtverband Schadstoffe ein Diskussionspapier veröffentlicht [1], in dem Erkenntnisse zu häufigen Asbestfunden in Spachtelmassen vermittelt wurden. Dargestellt wurde, dass es sich dabei um neue Erkenntnisse handelt, die bis zum Zeitraum der Feststellung nicht im Fokus der Schadstoffsachverständigen standen. Ausgangspunkt war der Bericht über die Untersuchungsergebnisse einer großen Anzahl von Schulen in Hamburg mit einem Erstellungszeitraum bis in die 1990er-Jahre, in denen ein hoher Anteil von Spachtelmassen mit Asbest festgestellt wurde [2].

In der Folgezeit wurden aus diesem Grund bundesweit durch Kommunen in öffentlichen Gebäuden, vor allem in Schulen, und mit großem personellen und wirtschaftlichen Aufwand, systematische Untersuchungen zur Identifizierung asbesthaltiger Spachtelmassen durchgeführt. Im Nationalen Asbestdialog von 2017 bis 2019 wurde die allgemeine Verunsicherung aufgegriffen und nach Lösungen für das Problem gesucht.

Federführend war beim Nationalen Asbestdialog das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilnehmer waren BMI und BMU, Führungskräfte der Bau- und Wohnungswirtschaft, öffentliche Verwaltungen, Gesundheits- und Arbeitsschutzbehörden. Der Untersuchungsumfang und die Ergebnisse sind auf der Internetplattform des Nationalen Asbestdialogs nachzulesen. Abgeleitet aus den Asbestuntersuchungen wurde erklärt, dass die Verwendung von Asbest in Spachtelmassen, Putzen und Fliesenklebern erst in den 1990er-Jahren verboten wurde.

In der Stellungnahme des BMAS zum abschließenden fünften Dialogforum steht dann: »[B]ei einem Baubeginn nach dem 31.10.1993 (Datum des Verwendungsverbots) kann grundsätzlich von Asbestfreiheit ausgegangen werden«, in der Stellungnahme des BMU wird dagegen erklärt: »Baujahr nach Asbestverbot – Stichtag 01.01.1996«.

Die beiden Ministerien sollten im Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit und der Fachwelt zumindest eine gemeinsame Position zum Zeitpunkt des Asbestverbots in Deutschland besitzen, die möglichst mit den tatsächlichen abgestuften Verbotsterminen seitens Gesetzgeber und Gesetzlicher Unfallversicherung übereinstimmt.

Stimmt das? Wurde das Asbestverbot tatsächlich erst 1995/96 in der BRD durchgesetzt? Wie soll das der Generation vermittelt werden, die am gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik und in der ehemaligen DDR in den 1980er und 1990er Jahren teilgenommen hat und die Asbestsituation dieser Zeit noch kennt?


1 Regelungen zum Asbestverbot

Die erste Regelung zum Asbestverbot war die 1. Durchführungsbestimmung der VBG 119 vom 1. April 1979, die am 1. Oktober 1979 in Kraft trat und das Aufsprühen und Aufspritzen von Asbest verbot. Mit der 2. Durchführungsbestimmung der VGB 119 vom 1. April 1982 (Unfallverhütungsvorschrift »Schutz gegen gesundheitsgefährlichen Staub«; Gesetzliche Unfallversicherung) wurde in größerem Umfang die Verwendung weiterer schwach gebundener asbesthaltiger Materialien, unter anderem asbesthaltige Anstrichstoffe, Kitte, Klebstoffe, Mörtel und Spachtelmassen, verboten.

Es gab eine Übergangsfrist bis zum 1. April 1984. Bestätigt wurde dieses Verwendungsverbot in der ersten Fassung der Gefahrstoffverordnung Anhang II, Ziffer 1.3.1.2 im Jahr 1986 (BGBI.I 1986, S. 1470 ff.).

Das Verwendungsverbot war mit Genehmigungs- und Kennzeichnungsvorschriften und einer Gefährdungsbeurteilung ergänzt, die Einhaltung des Verbots wurde durch Gewerbeaufsichtsämter und Berufsgenossenschaften kontrolliert und für den Fall von Verstößen mit empfindlichen Sanktionen belegt.

Nach weiteren Verbotsregelungen in der Gefahrstoffverordnung wurde ab 1. Mai 1990 mit der 2. Änderungsverordnung (BGBI.I S. 790 ff.) die Verwendung von asbesthaltigen Produkten im Hochbau verboten. Mit einer Übergangsregelung durften gemäß Übergangsvorschriften § 45 nur noch großformatige Asbestzement-Platten / Wellasbestplatten bis 31.12.1991 und Asbestzement-Rohre und -Kanäle bis 31.12.1994 verwendet werden.

Es ergibt sich aber die Frage: Wieso konnte weiterhin bis mindestens 1992 Spuren von Asbest in Spachtelmassen auf Wandoberflächen gefunden werden? Was sind die möglichen Ursachen für diese Asbestfunde?


2 Wurden durch die Baustoffindustrie asbestfreie Ersatzstoffe in ausreichendem Maße bereitgestellt?

Zunächst stellt sich die Frage, ob im Zeitraum der Asbestverbote bereits Ersatzstoffe in ausreichendem Maße zur Verfügung standen, um die Verbote auch praktisch umsetzen zu können? Bekannt ist, dass die Firma Moltofil im Jahr 1959 eine asbesthaltige Gipsspachtelmasse entwickelt hatte, die unter der Nummer DE1156010 patentrechtlich geschützt war [3]. Dem gemahlenen Gips waren bis acht Masseprozent Asbestfasern und eine Mischung aus Methylcellulose, Natriumcarboxycellulose und Silikon zugefügt worden.

Die Zusammensetzung der Spachtelmassen wurde fortwährend modifiziert und weiterentwickelt, um die Materialeigenschaften und die Materialverarbeitung zu verbessern. Ein Beispiel sind die Modifizierungen der UZIN Utz Werke Ulm im Jahr 1974 unter dem Titel »Beschichtungs-, Spachtel- und Klebemassen auf Epoxidharzbasis«. Empfohlen wurden variable Füllstoffe, nicht nur Asbest, sondern alternativ auch Quarzsand bzw. Quarzmehl, Spat, Kreide, Kaolin und Graphit [4].


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