DER BAUSV 6/2019


Ingo Kern


Vorschriftsmäßig untauglich

Abstruse Gesetzesdisziplin führt in der Praxis zu unzureichenden Stellplatzbreiten


Die Erfahrung, dass in Tiefgaragen von Wohnanlagen nicht ausreichend breite Stellplätze geplant wurden, machen Wohnungskäufer häufig. Während im Laufe der Jahrzehnte die Fahrzeuge in die Breite gegangen sind, orientieren sich so manche Planer an Vorgaben aus den Siebzigerjahren.

Rund ein halber Meter Türschlitz ist nötig, um sich aus dem Auto zwängen zu können. Wenngleich viele Wohnbauunternehmen ihre Stellplatzbreiten angepasst haben, kommt es bei Bauvorhaben dennoch vor, dass aus Kostengründen auf der Basis der Mindestmaße geplant und gebaut wurde.

Vorliegend sollte das gemeinschaftliche Eigentum eines 8-Familien-Wohnhauses in einer Nachbargemeinde Heilbronns abgenommen werden. Im Rahmen der gemeinsamen Begehung wurde auch eine Prüfung der Tiefgaragenstellplatzmaße vorgenommen. Das Ausmessen offenbarte, dass acht Stellplätze nicht die Mindestmaße der Garagenverordnung (GaVO) erreichten. Nach mehreren Ausweichmanövern des Bauträgers unterbreitete die WEG schließlich ein Vergleichsangebot zur Streitbeilegung in einem niedrigen vierstelligen Bereich.

Der Bauträger war indes überzeugt, dass die gestrigen Erfolgsrezepte auch morgen noch funktionieren werden. Das ist das Prinzip von Comicfiguren, die in voller Geschwindigkeit noch ein ganzes Weilchen über dem Abgrund weiterlaufen können, bevor sie erkennen, dass sie längst die Richtung hätten ändern sollen – und herunterfallen. Jedenfalls bestätigte der gerichtlich beauftragte Kollege die Defizite und ermittelte Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 80 000 € mittels Umsetzen der im Wege stehenden Stahlbetonstützen.


Meiner ist größer als deiner

Mit jeder Generation wird nahezu jedes Modell größer – und sorgt für immer schwierigere Manöver in Tiefgaragen. Der erste Golf, den Volkswagen 1974 auf die Straße schickte, war gerade einmal 1,61 m breit – ohne Außenspiegel gemessen. Inzwischen ist der aktuelle Polo größer als der Ur-Golf. Selbst der neue BMW X3 ist größer als die erste Generation des eigentlich großen Bruders X5. Und der Fiat 500 ist sogar 60 cm länger als das Modell von 1977.

Heute ist ein Heer von SUVs unterwegs, mit Abmessungen, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren noch völlig abwegig waren. Am Zuschnitt der Pkw-Stellplätze hat sich jedoch kaum etwas geändert, wobei der Boom großer Fahrzeuge unvermindert zunimmt.

Mit einem Marktanteil von fast 31% stellen die SUVs und Geländewagen im Juli 2019 inzwischen das größte Segment bei den Neuzulassungen. Ein Vergleich mit den Zulassungen vor fünf Jahren zeigt, wie sehr SUVs zugelegt haben. Im Juni 2014 hatten sie noch einen Marktanteil von 9,8%, Geländewagen von 7,4%. Demgegenüber lag die Kompaktklasse noch bei einem Marktanteil von 26,8%. Dieser Anteil ist im Juni 2019 auf 20,7% geschrumpft. Die neu vorgestellten Elektroautos von Jaguar, Mercedes und Audi gehören alle drei zur Klasse der großen SUVs.

Elektroautos mit Reichweiten von 500 km und mehr benötigen riesige Batterien – 600 bis 700 Kilo schwer – was sich wiederum auf die Fahrzeuggröße auswirkt. Was viele Autofahrer gefühlt schon lange wissen, hat eine Studie vom CAR Institut (Center Automotive Research) der Universität Duisburg-Essen nachgewiesen. Forschungschef Ferdinand Dudenhöffer hat über mehrere Jahrzehnte hinweg die Durchschnittsmaße von Neuwagen nachverfolgt. Wichtigstes Ergebnis: Seit 1990 sind die Neuwagen in Deutschland im Schnitt um 12,3 cm oder 7,3% breiter geworden. Die zahlreichen Messungen des CAR-Instituts zeigten überdies, dass die Fahrzeugbreiten erheblich streuen und keineswegs nur die viel geschmähten SUVs verantwortlich für das Breitenwachstum sind.

Unterm Strich haben alle Fahrzeuggattungen in der Breite zugelegt. Dabei handelt es sich nicht nur um Sport- und Geländewagen (SUV) mit einer Durchschnittsbreite von knapp 1,84 m. Auch beliebte Kompaktwagen sind breiter geworden: Der VW Golf ist um 20 cm auf heute 1,81 m (ohne Außenspiegel) gewachsen. Ein direkter Vergleich von drei beliebten Modellen, dem Opel Corsa, dem VW Golf und dem BMW 3er förderten Überraschendes zutage: Der Corsa hat dem CAR-Institut zufolge seit 1990 mit 14% – mehr als 20 cm – den größten Wachstumsschub unter den drei Modellen hingelegt.

Spitzenreiter beim Breitenwachstum über alle Modelle hinweg war übrigens Ford. Der Durchschnitts-Ford ist seither um 10,2% breiter geworden. Ein Mercedes legte in dieser Zeit nur um moderate 5,8% zu. Mitnichten sind es die hochpreisigen Marken, die das Breitenwachstum anführen. Ein entscheidender Grund für den Breitenzuwachs ist zusätzliche Sicherheitstechnik.


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