BauSV 2/2023


Baurecht


Hans Ganten


»Vor der Hacke ist es duster«

Gedanken zum »Baugrundrisiko« in der Bauwirtschaft


Der Titel dieser Abhandlung ist ein Zitat aus der Bergmannswelt. Er deutet an, dass es unter Tage für die Qualitäten des Erdreiches kaum Gewissheiten gibt. Erst wenn die Spitzhacke den Stollen freigibt, weiß man, wie es im Untergrund wirklich aussieht. Aber es gibt nicht nur die Spitzhacke; auch im täglichen Geschäft des Tiefbaus kommt es zu Überraschungen, die sich erheblich auf die Umsetzung der Werkplanung auswirken. Sie können die Kalkulation der Beteiligten erschüttern, aber auch Drittschäden verursachen. So wundert es nicht, dass »Baugrundrisiken« immer wieder auch Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen sind.

Die baurechtliche Literatur widmet sich dem Thema in ausgiebigen Schriften, stellt aber den Begriff als Lösungsansatz in rechtlicher Hinsicht auch generell infrage. Der BGH geht mit dem »Baugrundrisiko« als inhaltlichem Hinweis auf Zurechnungslösungen sehr behutsam um und neigt dazu, das Entscheidungsmoment beim Tiefbau in generellen Prinzipien des Vertragsrechtes zu sehen. An dieser Stelle soll versucht werden, einige grundlegende Lösungswege aufzuzeigen. Für weiterführende Detailfragen muss auf ausführlichere Kompendien und die Hinweise in den Fußnoten verwiesen werden.


1. Normen zur Baugrundprüfung

Grundlegende Norm für sämtliche Bauarbeiten ist die DIN 18299, die sich u.a. mit »Baustoffen«, d.h. auch mit dem Baugrund, beschäftigt. Baustoffe müssen »ungebraucht« sein und speziellen Normen, die für sie aufgestellt sind, entsprechen (18299, Ziff. 2.3). Die »Brauchbarkeit« und Normgerechtigkeit des Baustoffes »Boden« regelt die DIN 18312 (»Untertagebau«) i.V. mit der DIN 4020, die sich eigens und ausführlich der geotechnischen Untersuchung des Bodens, auf dem gebaut werden soll, widmet.

Die dortigen Anforderungen an die Gründlichkeit und Exaktheit der Untersuchungen sind erheblich, obwohl immer auch gilt, dass jede Bodenuntersuchung nur stichprobenartig erfolgen und nicht flächendeckend verlässlich sein kann. DIN-Normen sind keine Gesetze und auch nicht generell anerkannte Regeln der Technik. Im Beiblatt 1 zu den Erläuterungen zur DIN 4020 heißt es in Abschnitt 1:

»Aufgabe der geotechnischen Untersuchung von Boden und Fels als Baugrund ist es, die Unsicherheiten in Kenntnis des Baugrundes im Hinblick auf ein Projekt einzugrenzen. [...] Ein Baugrundrisiko kann auch durch eingehende geotechnische Untersuchungen nicht völlig ausgeschaltet werden, da die Werte der Baugrundparameter streuen, eng begrenzte Inhomogenitäten des Baugrundes nicht restlos zu erfassen sind und manche Eigenschaften des Baugrundes mit angemessenem Aufwand nicht festgestellt werden können.«

Das zeigt, dass Baugrunduntersuchungen in Grenzfällen letztlich nur Vermutungen zulassen, die aber auch Raum für spekulative Preisangebote geben. Das gilt für die Primärkalkulation des (bei öffentlichen Aufträgen) Amtsentwurfes, aber ebenso bei der entsprechenden Ausschreibung privater Auftraggeber, wie auch bei »Nebenangeboten« von Unternehmen, die hoffen, mithilfe selbst angedachter Modelle im Vertrauen auf eine positive Entwicklung der baulichen Umstände günstiger bauen zu können.


2. Risikoeinordnungen in der VOB, Teile A und B

Im öffentlichen Auftragswesen ist die VOB in aller Regel (eigentlich »verpflichtend«) Vertragsgegenstand. Im privaten Bereich gilt die Vereinbarung der VOB/B weitgehend als »üblich«. Insbesondere der Teil B unterliegt aber der AGB-Kontrolle, die nach der Bauvertragsnovelle im BGB (Geltung zum 1.1.2018) von besonderer Relevanz ist. Die danach nur noch bedingte Geltung aller Teile der VOB/B ist aber gerade öffentlichen Auftraggebern nicht immer leicht zu vermitteln. Von dieser Problematik soll hier abgesehen werden.


Teil A

Die VOB/A regelt in § 7 Abs. 1 Nr. 1, was eigentlich der DIN 18312 i.V.m. DIN 4020 widerspricht:

»Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können.«

Natürlich haben auch die Verfasser der VOB/A gewusst, dass diese Regel für die Beschreibung von Baugrundverhältnissen nicht wortwörtlich einzuhalten ist. Gemeint ist mit der »erschöpfenden« Beschreibung (auch) des Baugrundes deshalb nur eine Erfassung der Risikoelemente, soweit sie bei fachgerechter geologischer Analyse möglich ist. Unmögliches verlangt die VOB/A weder vom ausschreibenden Auftraggeber noch von dem mit der Prüfung der in der Ausschreibung enthaltenen Risikoelemente befassten Auftragnehmer.

Der oben zu Ziff. 1. zitierte Vorbehalt für eine Offenheit der Parteien für Ungewissheiten in der Baubeschreibung ist also von vornherein Vertragsinhalt. Das gilt besonders dann, wenn das vorgelegte Baugrundgutachten bereits selbst auf Unsicherheiten in der Beurteilung hinweist (Gefahr von Kontaminationen, Sandlinsen, Wasseradern usw.). Diese Hinweise geben einmal Anlass zu vertiefenden Nachfragen an den Auftraggeber und/oder Gutachter und zum anderen zum Bemühen, mit dem Auftraggeber haftungsbegrenzende Absprachen im Hinblick auf die Risikoelemente im Boden zu treffen.


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