Abb. 2: Beispiel einer nicht vorbildlichen Schwellenkonstruktion

Sebastian Sage


Türen ins Freie ohne Schwelle – Sonderkonstruktion oder Regelfall?


Seit Jahren dreht sich die Diskussion um die schwellenlose Terrassentür um die immer gleichen Konstanten. Obwohl die schwellenlose Terrassentür für viele Bauaufgaben gesetzlich vorgegeben, wissenschaftlich richtig und in der Fachwelt bekannt ist, sich darüber hinaus in der Praxis bewährt hat und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, wird sie in den Regelwerken der Abdichtungen weiterhin eher stiefmütterlich behandelt. Der nachfolgende Artikel möge dazu beitragen, das zu ändern.

Der Bausachverständige Henrik-Horst Wetzel hat in den Heften 2 und 3 der Zeitschrift »Der Bausachverständige« die Grundlagen beschrieben. Jetzt muss der Weg von der Sonderkonstruktion (DIN 18531 ff.) [1] oder den Sonderlösungen (Flachdachrichtlinie [2]) zur Regelausführung gegangen werden.

Der schwellenlose Durchgang ist für viele Bauaufgaben gesetzlich vorgegeben. Die einschlägigen Paragrafen aus Landesbauordnungen, Behindertengleichstellungsgesetz und Grundgesetz sind vielfach abgedruckt worden. Die maßgebliche Norm zum Barrierefreien Bauen DIN 18040 aus dem Jahr 2010 bzw. 2011 [3] ist eindeutig:

»4.3.3 Türen / 4.3.3.1 Allgemeines

[…] Untere Türanschläge und Schwellen sind nicht zulässig. Sind sie technisch unabdingbar, dürfen sie nicht höher als 2 cm sein.«


Bauindustrie, Architekten und Ingenieure sind seit Jahrzehnten in der Lage, Lösungen für diese Anforderung erfolgreich am Bau zu verwirklichen und haben das zigtausendfach bewiesen. Das Aachener Institut für Bauschadensforschung und Angewandte Bauphysik gGmbH veröffentlichte 2012 seinen Forschungsbericht »Schadensfreie Niveaugleiche Türschwellen« [4] mit dem Ergebnis, dass diese Ausführung nicht zu Schäden führt. Diese Lösungen brauchen hier nicht erneut aufgelistet zu werden. Zwei Zentimeter hohe Türanschläge sind nicht »technisch unabdingbar«. 

Die Regelwerke (a.a.O.) unterscheiden die ausdrücklich diskriminierte Schwelle mit einer Höhe von weniger als 2 cm und Schwellen einer Höhe zwischen 2 und 5 cm, die sie keines Wortes würdigen. Diese Unterscheidung in den technischen Regelwerken bei 2 cm Höhe beruht auf einer Norm DIN 18024 aus dem Jahre 1998 [5] und erübrigt sich seit 2010. Wie unten gezeigt wird, bewegt sich die Schwellenhöhe tatsächlich ausgeführter Terrassentüren im Wohnungsbau in wesentlichem Umfang in genau diesem ungeregelten Bereich einer Schwellenhöhe zwischen 2 und 5 cm.

Der oben zitierte Absatz aus DIN 18040 zur Schwelle gehört nicht zu jenen mit einem »R« gekennzeichneten, die besonders die Belange der auf den Rollstuhl angewiesenen Personen berücksichtigen. Ziel der Norm ist nicht wie in früheren Fassungen die Definition der Anforderungen für die begrenzte Zahl von Personen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind und gleichzeitig sensorisch und physisch in der Lage sind, diesen zu betätigen, sondern die Nutzungserleichterung für viel weiter gefasste Personengruppen bis hin zu Personen mit Kinderwagen oder Gepäck. Auch Personen mit eingeschränktem Sehvermögen können an einer Schwelle scheitern. Das Schutzziel der Norm ist keine Sonderlösung. Zitat aus dem Vorwort DIN 18040-2:2011 [3]:

»(Die Norm) berücksichtigt dabei insbesondere die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung, Blindheit, Hörbehinderung (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) oder motorischen Einschränkungen sowie von Personen, die Mobilitätshilfen und Rollstühle benutzen. Auch für andere Personengruppen wie z.B. groß- oder kleinwüchsige Personen, Personen mit kognitiven Einschränkungen, ältere Menschen, Kinder sowie Personen mit Kinderwagen oder Gepäck führen einige Anforderungen dieser Norm zu einer Nutzungserleichterung.«


Abdichtungsnorm

Der verbleibende Spielverderber, der einer allgemeinen Verwirklichung der schwellenlosen Tür im Wohnungsbau entgegensteht, sind die Abdichtungsnormen.

Die Regelwerke für Abdichtungen des DIN und des ZDD legen die Aufkantungshöhe von Abdichtungen einheitlich mit 15 cm fest. Wir verdanken der Zeitschrift »Der Bausachverständige«, Jahrgang 13 Heft 6 Dezember 2017 [6], die Kenntnis, woher die 15-cm-Regel kommt – aus »Der Deutsche Dachdeckermeister«, Band 1, Fritz Schrader und Hugo Reim, Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1911:

»Die Pappbahnen werden so abgeschnitten, dass sie noch eine Handbreit über die Kante gebogen werden können.«

In der Schweiz ist die Hand nur 12 cm breit. Die Schweizer haben halt ein Händchen.


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