BauSV 4/2023


Baurecht


Florian Herbst, Julian Dubois


Gedanken über das Bauproduktenrecht der Zukunft


Der Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Rechtslage und Systematik des öffentlich-rechtlichen Bauproduktenrechts und zeigt Entwicklungsmöglichkeiten – insbesondere durch den Einsatz einer KI-basierten Software – auf.


Die anhaltend hohen Baukosten und Zinsen setzen der Bau- und Immobilienbranche zu; ein Ende ist kaum verlässlich vorhersehbar. Doch es gibt noch ungenutzte Möglichkeiten, Kosten zu sparen, und eine davon findet sich im Bauproduktenrecht.

Die Neugestaltung des deutschen Bauproduktenrechts im Jahre 2016 hat nicht dazu beigetragen, dass die maßgeblichen Regelungen über- und durchschaubarer werden. Dies stellt Architekten, Bauunternehmer und Bauherren vor große Herausforderungen, birgt ein gewaltiges Haftungsrisiko und verursacht am Ende des Tages vor allem vermeidbare Kosten.

Dieser Artikel soll das aktuelle »Dickicht« im Bauproduktenrecht lichten und Entwicklungsmöglichkeiten, insbesondere durch den Einsatz einer KI-basierten Software, aufzeigen. Hierzu werden zunächst die aktuelle Rechtslage und Systematik des öffentlich-rechtlichen Bauproduktenrechts dargestellt. Das bildet die notwendige Grundlage für eine Erörterung der daraus resultierenden zivilrechtlichen Probleme sowie für Ideen von Optimierungsmöglichkeiten.


Das öffentlich-rechtliche Bauproduktenrecht

Das Bauproduktenrecht wird dogmatisch dem öffentlich-rechtlichen Produktsicherheitsrecht zugeordnet. Ziel des Bauproduktenrechts ist es, die Verwendbarkeit von Bauprodukten zu regeln, um schließlich die Sicherheit von Bauwerken zu gewährleisten. Hierbei ist stets zwischen europäisch harmonisierten Bauprodukten und nicht harmonisierten Bauprodukten zu unterscheiden.

Ein Bauprodukt wird dann zu einem harmonisierten Produkt, wenn dafür harmonisierte Normen vorliegen. Dazu muss eine europäische Normungsinstitution (insb. CEN) auf Grundlage eines Mandats der EU-Kommission eine Norm entwickeln, die von der EU-Kommission angenommen und im Amtsblatt der EU veröffentlicht wird. Die harmonisierten Bauprodukte werden nach einer übereinstimmenden Leistungserklärung des Herstellers mit einer CE-Kennzeichnung versehen. 

Das europäische Recht hat – mittlerweile – einen erheblichen Einfluss auf das deutsche Bauproduktenrecht; nicht umsonst war Anlass für die Neuregelung des deutschen Bauproduktenrechts im Jahre 2016 eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Deshalb ist es lohnend, vorab einen Blick auf die vergangenen Entwicklungen im Bauproduktenrecht zu werfen, bevor genauer auf die Rechtsnormen und die Systematik eingegangen wird.


Die Entwicklungen im deutschen Bauproduktenrecht

Ursprünglich waren in Deutschland für die Frage der Verwendbarkeit von Bauprodukten die Produkteigenschaften maßgeblich. Es wurden vom Gesetzgeber technische Anforderungen an ein Bauprodukt gestellt, um die Produktsicherheit zu gewährleisten. Hat ein Hersteller nachweisen können, dass sein Bauprodukt diese technischen Anforderungen erfüllte, wurde es mit einem Übereinstimmungskennzeichen (dem sogenannten Ü-Kennzeichen) versehen. Nun war für alle Baubeteiligten erkennbar, dass dieses Produkt die sicherheitsrechtlichen Anforderungen erfüllt und folglich auch verwendet werden durfte.

Diese Praxis stieß jedoch bei den beschriebenen harmonisierten Bauprodukten an ihre Grenzen. So wurden damals in Deutschland, handelnd durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), auch für CE-gekennzeichnete Bauprodukte zusätzliche Produktanforderungen an bereits harmonisierte Bauprodukte gestellt, um die notwendige Sicherheit zu gewährleisten.

Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) ist eine von Bund und Ländern geschaffene Institution mit Sitz in Berlin, die insbesondere für die Regulierung und Genehmigung von Bauprodukten und Bauarten zuständig ist (weitere Informationen unter www.dibt.de).

Dies geschah vor dem Hintergrund, dass die CE-Kennzeichnung lediglich Messverfahren und die dabei ermittelten Werte angibt und keine Aussage zu den sicherheitsrechtlichen Anforderungen trifft. Das hatte zur Folge, dass die CE-Kennzeichnung zusätzlich mit einer Ü-Kennzeichnung ergänzt wurde und Bauprodukte, welche zwar die europäischen, aber nicht die nationalen Anforderungen erfüllten, hierzulande kaum verwendet wurden.

Die Europäische Kommission sah in dieser Praxis einen Verstoß gegen EU-Recht und verklagte die Bundesrepublik Deutschland vor dem EuGH. Dieser bestätigte die Auffassung der Europäischen Kommission in seinen Urteilen vom 16.10.2014 (Az. C-100/13) und 27.10.2016 (Az. C-613/14) mit der zusammengefassten Begründung, dass die damalige Bauproduktenrichtlinie eine wettbewerbsrechtliche Regelung sei und die Anforderungen an die harmonisierten Bauprodukte nicht zum Nachteil des Wettbewerbs von den nationalen Gesetzgebern nachgeregelt werden dürfen.

Da die Einhaltung der Bauwerkssicherheit unter die Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers fällt, reagierte Deutschland auf die Entscheidungen des EuGH mit einer Neuregelung des Bauproduktenrechts und verschob die sicherheitsrechtlichen Anforderungen von der Produktebene auf die Bauwerksebene. Das hatte zur Folge, dass von nun an alle Bauprodukte mit einer CE-Kennzeichnung in den Verkehr gebracht und erworben werden konnten, aber nicht jedes Produkt für das konkrete Bauwerk verwendet werden durfte.


Maßgebliche Rechtsnormen

Das öffentlich-rechtliche Bauproduktenrecht ist in verschiedenen Verordnungen, Gesetzen und technischen Bestimmungen geregelt. Die europäische Bauproduktenverordnung (BauPVO – Verordnung [EU] Nr. 305/2011) legt die Bedingungen für das Inverkehrbringen von CE-gekennzeichneten Bauprodukten fest und wurde ab 2013 in Deutschland durch das Bauproduktengesetz (BauPG) umgesetzt. Diese Vorschriften haben überwiegend wettbewerbsrechtlichen Charakter und sind nicht als Sicherheitsvorschriften zu verstehen.

In Deutschland liegt die Kompetenz zur Regelung des Bauordnungsrechts gemäß Artikel 70 des Grundgesetzes bei den Bundesländern. Die Länder haben zur Vereinheitlichung in Zusammenarbeit mit dem DIBt die Musterbauordnung (MBO) erschaffen, die mittlerweile in den meisten Landesbauordnungen übernommen wurde. Deshalb wird im Folgenden ausschließlich auf die MBO verwiesen. Darin wird das DIBt durch § 85a MBO ermächtigt, die allgemein anerkannten Regeln der Technik für die Produkt- und Bauwerkssicherheit zu erlassen. Diese werden in der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (MVV TB) gesammelt, welche die Bauwerksanforderungen konkretisiert.

Die bisherigen produktspezifischen Anforderungen werden über die MVV TB auf die Bauwerksebene übertragen. Dies betrifft bauliche Anlagen, Bauprodukte und andere Anlagen und Einrichtungen. Sie umfasst beispielsweise Regeln zur Standsicherheit baulicher Anlagen sowie zum Brandschutz, zum Wärmeschutz, zum Schallschutz, zum Gesundheitsschutz, zum Umweltschutz und zu den Planungsgrundlagen.


Verwendung von Bauprodukten mit CE-Kennzeichnung

Die Verwendbarkeit von CE-gekennzeichneten Bauprodukten richtet sich nach § 16c MBO. Dazu gehören zum einen Bauprodukte, für die vollständig harmonisierte Normen erlassen wurden und zum anderen Bauprodukte, für die eine europäische technische Bewertung gemäß § 19 BauPVO vorliegt. Gemäß § 16c MBO dürfen Bauprodukte mit einer CE-Kennzeichnung verwendet werden, wenn sie die bauwerksseitigen Anforderungen erfüllen, welche durch die oder aufgrund der MBO aufgestellt wurden. Diese werden neben der Generalklausel in § 3 MBO insbesondere in Teil A der MVV TB geregelt.

Damit stellt der § 16c MBO das »rechtliche Scharnier« zwischen den erklärten Leistungen eines Produkts und den spezifischen Anforderungen, die sich für einen bestimmten Verwendungszweck ergeben, dar. Sollten die erklärten Leistungen nicht den bauwerkseitigen Anforderungen genügen, kann der Hersteller zusätzlich eine europäische Technische Bewertung beantragen oder alternativ dem Verwender die erforderlichen Eigenschaften zusichern.

Die Voraussetzungen der §§ 17–25 MBO sind für harmonisierte Bauprodukte in § 16c MBO ausdrücklich ausgeschlossen, um eine klare Abgrenzung zu den nicht harmonisierten Bauprodukten zu gewährleisten.

Die CE-Kennzeichnung ist von der Leistungserklärung des Herstellers abzugrenzen und bescheinigt nicht die Brauchbarkeit der Bauprodukte, sondern lediglich die Konformität der Leistungserklärung mit den harmonisierten technischen Vorschriften.

 
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