BauSV 4/2021


Joachim Muffler


Das Kreuz mit der Abnahme im deutschen Werkvertragsrecht


I. Bedeutung der Abnahme als vertragliche Hauptpflicht

Die Abnahme ist neben der Herstellungspflicht und der Zahlungspflicht die dritte vertragliche Hauptpflicht im Werkvertragsrecht. § 640 Abs. 1 BGB definiert die Abnahme als Verpflichtung des Bestellers, das »vertragsmäßig hergestellte Werk« abzunehmen.

So gesehen geht es also um eine Mitwirkungshandlung des Auftraggebers bei der Erfüllung und Durchführung eines Werkvertrags. Die als Hauptleistung ausgebildete Abnahme ist Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung, außerdem ist sie der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Verjährungsfrist für Mängelansprüche (§ 634a Abs. 2 BGB) und den Gefahrübergang (§ 644 BGB).

Im Gegensatz etwa zum Kaufrecht knüpft das Gesetz in § 641 BGB die Fälligkeit des Werklohns im Werkvertragsrecht nicht an die Übergabe bzw. Entgegennahme der geschuldeten Leistungen, sondern erfordert mit der Abnahme nach der ganz herrschenden Meinung eine ausgesprochene Billigung des hergestellten Werks durch den Besteller.

Allerdings fragt man sich, warum die ausdrückliche Billigung des Gewerks eine Pflicht des Auftraggebers sein soll, obwohl sie im Herstellungsprozess, abgesehen von selten in Betracht kommenden Teilabnahmen, keine Rolle spielt und im Normalfall erst nach der Fertigstellung des Gewerks erfolgt. Sie steht am Ende des Produktionsprozesses, ist allenthalben die Bestätigung der »ordnungsgemäßen« Leistungserbringung, hat aber mit der Herstellung selbst nichts zu tun.

So gesehen würde es aus Sicht des Auftraggebers eigentlich näherliegen, ihn nicht zur ausdrücklichen Billigung des Gewerks zu verpflichten, sondern ihm ein Recht einzuräumen, einer Mitteilung des Auftragnehmers, das Werk vertragsgerecht fertiggestellt zu haben, zu widersprechen.


II. Die gesetzlichen Regelungen zur Abnahme

§ 640 Abs. 1 BGB und § 12 Abs. 1 VOB/B sehen die förmliche Abnahme als Regelfall vor. Weil die Parteien eines Bauvertrages aber oft nicht das tun, was sich das Gesetz und Juristen vorstellen, und häufig keine förmliche Abnahme durchführen, hat man sich alle möglichen Hilfskonstruktionen einfallen lassen, um die Abnahmewirkungen eintreten zu lassen.

In diesen Fällen stellen sich die bekannten Fragen nach einer stillschweigenden (konkludenten) oder auch fiktiven Abnahme (§ 640 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 12 Abs. 5 VOB/B). Besonders knifflig wird die Angelegenheit, wenn man ausgehend vom zweigliedrigen Abnahmebegriff nach der ganz herrschenden Meinung neben dem tatsächlichen Akt der Hinnahme der Leistung ein rechtsgeschäftliches Erklärungsbewusstsein fordert.

Andererseits verlangen das Gesetz und die VOB/B noch nicht einmal eine Prüfung des Gewerks, auch keine sofortige Prüfungsmöglichkeit. Die Rechtsprechung behilft sich mit häufig mehr als konstruiert anmutenden Betrachtungen. Dem Besteller wird nicht selten ein Erklärungsbewusstsein unterstellt, das er tatsächlich nicht hat. 

So verwundert es nicht, dass die Abnahme in vielen gerichtlichen Verfahren zentraler Streitpunkt ist. Mitunter entscheidet sich bei unterbliebener förmlicher Abnahme erst nach jahrelangem Rechtsstreit und einer Vielzahl von Sachverständigengutachten, ob ein Gewerk überhaupt abnahmereif war oder nicht.

Liegen Mängel vor, die nach Auffassung des erkennenden Gerichts – gegebenenfalls auch nur in der Summe – zur Verweigerung der Abnahme berechtigen, fehlt es an den Voraussetzungen für die Annahme einer konkludenten Abnahme. Folge: die Werklohnklage des Auftragnehmers wird mangels Fälligkeit der Vergütung aus der Schlussrechnung abgewiesen.


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