BauSV 1/2024


Baurecht


Matthias Zöller


A.R.d.T nach dem 9. Deutschen Baugerichtstag, AK V / VI

Mindeststandard ohne juristischen Spielraum


Im Beitrag in Heft 3/2023 habe ich ausgeführt, dass a.R.d.T. ein (rein) juristisches Instrument sind, das nicht mit belastbaren Inhalten hinterlegt ist − weder juristisch noch technisch, auch nicht durch Regelwerke. Wie wird dies in der Fachwelt aufgenommen, welche Entwicklungen zeichnen sich ab?


Unter »allgemein anerkannte Regeln der Technik« (a.a.R.d.T. oder a.R.d.T.) werden landläufig technische Regeln verstanden, die wiedergeben, wie »man im Allgemeinen baut« – oder besser: bauen sollte.

Der Beitrag von Klaus Arbeiter ist u.a. überschrieben mit »Dürfen a.a.R.d.T. mit Regelwerken gleichgesetzt werden? Ja, natürlich – sie müssen nur richtig bewertet werden«. Diese Aussage zeigt ein grundlegendes und tiefes Missverständnis auf, das auf einem Kommunikationsproblem zwischen Technik und Recht beruht. Man könnte das vergleichen mit zwei Personen, die sich auf Französisch und Italienisch unterhalten möchten. Beide Sprachen haben den gleichen Ursprung, dennoch verstehen sich die beiden nicht.

Der o.a. Beitrag ist aus Sicht eines Sachverständigen und Autors von Technischen Empfehlungen nachvollziehbar. Perspektive Handlungsempfehlungen sind oft Ergebnis von Diskussionen und Verhandlungen. Sie sind damit nicht immer technisch geprägt, oft sind sie ein Kompromiss, der nach demokratischen Regeln zustande kommt.

»Anerkannte Regel der Technik« ist aber ein Rechtsbegriff mit unbestimmtem Inhalt und dennoch juristischer werkvertraglicher Mindeststandard, der nicht unterschritten werden darf. Wer DIN-Normen, Fachregeln, Merkblätter und andere Schriften mit a.R.d.T. gleichsetzt, verhindert gleichzeitig − aus juristischen Gründen – die Verhandelbarkeit ihrer Inhalte!

»Regelwerke« mit anerkannten Regeln der Technik gleichzusetzen bedeutet, einen solchen Mindeststandard zu setzen. Dann ist die Möglichkeit ausgeschlossen, sie richtig bewerten zu können. Dann kommt es nicht mehr auf denjenigen an, der vor dem Computer sitzt, weil es aus juristischen Gründen keinen Handlungsspielraum mehr gibt. Aber genau das möchte Herr Arbeiter aus in seinem Beitrag nachvollziehbar dargestellten Gründen nicht.

Leider haben sich Sachverständige in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten, daran gewöhnt, mit der Beantwortung der Frage nach anerkannten Regeln der Technik Rechtsbetrachtungen anzustellen, ohne sich dessen bewusst zu sein und ohne die Folgen ihrer Aussagen für denjenigen, die damit umzugehen haben – die Juristen –, abschätzen zu können. Darunter leidet der, wenn alles um die a.R.d.T. ausgeblendet wird, sonst lesenswerte Beitrag. Zu diesem ist daher Folgendes anzumerken:


1. Richtigkeit von Technischen Empfehlungen, Haftung für a.R.d.T.

Der Rechtsbegriff a.R.d.T. beinhaltet nur ein technisches Element, das der technischen Richtigkeit. Meinungen können Technik nicht bestimmen, aber Technik folgen. Was die Meinung in einem Fachkreis ist oder ob sich eine bestimmte Bauweise (durchweg?) bewährt hat, ist keine Aufgabe an technische Sachverständige, sondern an Demoskopen oder Forschungsinstitute. Auch das »Umhören in Netzwerken« bildet Einzelmeinungen ab, die nicht auf wissenschaftlich belegten Falluntersuchungen basieren.

Technische Sachverständige können eine eigenerfahrungsbasierte Meinung haben, die aber keine wissenschaftliche Dimension hat. Im Gegensatz zu Verfassern oder Herausgebern, die nicht für die Richtigkeit ihrer Schriften haften (Ergebnis der Diskussion), tun Sachverständige das nach werkvertraglichen Grundsätzen für das, was sie in Gutachten niederlegen. Dazu gehört auch die Aussage, dass eine DIN-Norm, ein Technisches Merkblatt, eine Richtlinie oder eine andere Technische Empfehlung anerkannte Regel der Technik sei.

Anwender dieser Schriften übernehmen die Haftung für deren Richtigkeit. Wenn Schäden aus solchen Aussagen in Gutachten folgen, sei es, dass ein Bauteil trotz Einhaltung einer technischen Empfehlung kaputtgeht, sei es, dass ein übertriebener Aufwand betrieben wird und damit ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, haften dafür Anwender, mitunter beratende und bewertende Sachverständige.

Anwender können sich nicht oder nur eingeschränkt enthaften, indem sie sich auf eine Technische Empfehlung stützen. Wer also von Sachverständigen einfordert, a.R.d.T. zu klären, überfordert sie.


2. Zweck von a.R.d.T.

A.R.d.T. haben nur einen (rechtlichen) Sinn: die Gewähr, dass nach Ablauf der Durchsetzbarkeit von Gewährleistungsansprüchen ein Werk für die vorgesehene wirtschaftliche Nutzungsdauer unter Berücksichtigung von zu erwartenden Einwirkungen sowie möglichen und üblichen Instandhaltungen uneingeschränkt verwendungsgeeignet ist.

Das ist, solange Gewährleistungsansprüche durchsetzbar sind, eher unwichtig, weil bei eventuellen Schäden, die auf Fehlern des Werks beruhen, Ansprüche zu deren Beseitigung durchgesetzt werden können. A.R.d.T. sind daher kein wesentlicher Aspekt bei Ausführung oder während der Gewährleistungszeit, sondern für den Zeitraum danach.


3. A.R.d.T. sind nicht verhandelbar

Es ist ein grundlegender Irrtum, a.R.d.T. seien verhandelbar. Das sind sie nicht, sie sind in o.a. Sinn werkvertraglicher und damit rechtlicher Mindeststandard, der insbesondere bei Verbrauchern zumindest derzeit kaum rechtswirksam unterschritten werden kann.


4. Mehr als nötig?

Dagegen steht es jedem frei, besser zu bauen als vielleicht fallbezogen notwendig ist. Auch ich begrüße, wenn Dinge so gemacht werden, dass sie möglichst zuverlässig und lange nutzbar sind – am besten, wenn sie preiswert, also ein optimales Nutzen-zu-Kosten-Verhältnis haben, und nicht übermäßig teuer sind.

Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass »mehr« i.d.R. auch teurer ist, höhere als nötige Kosten nach sich ziehen kann und dass diese auch einen Schaden darstellen können. Man kann z.B. Wärmedämmverbundsystemplatten mit deutlich mehr als 40% Klebeflächenanteil verarbeiten. Wenn aber 22% genügen, ist fallbezogen kein größerer Flächenanteil erforderlich. Wer aber an die 40%-Untergrenze glaubt, wird WDVS bei einem Klebeanteil von 35% austauschen lassen, ohne dass dazu eine technische Notwendigkeit besteht. Dann wird der Schaden wegen vermeidbarer Kosten noch größer sein.


Den ganzen Beitrag können Sie in der Februar-Ausgabe von »Der Bausachverständige« lesen.
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