Rechtsprechungstipp: Kürzung des Sachverständigenhonorars wegen erheblicher Überschreitung des Kostenvorschusses
  • 28.09.2022

Rechtsprechungstipp: Kürzung des Sachverständigenhonorars wegen erheblicher Überschreitung des Kostenvorschusses

Hat der Bausachverständige einen (von der beweisbelasteten Partei gezahlten) Kostenvorschuss erhalten und auch einen Endbetrag jeweils mit und ohne Bauteilöffnung angegeben und kommt es dann nicht zu der Bauteilöffnung bzw. wird diese von einer Partei vorgenommen, sodass ein Teil der vorweg berücksichtigten voraussichtlichen Aufwendungen wegfällt, ist als Grundlage für die Beurteilung einer erheblichen Vorschussüberschreitung nicht mehr der bekannt gegebene voraussichtliche hohe Endbetrag maßgeblich, sondern der um den Wert der ersparten Aufwendungen gekürzte. Wird dieser Betrag um 46,2% überschritten, ist dieser Betrag erheblich und der Sachverständige hätte darauf im Vorfeld (zum zweiten Mal) hinweisen müssen. Hat er dies unterlassen, ist seine Vergütung entsprechend zu kürzen.


Aus den Gründen

Das Beschwerdegericht (hier: OLG) hat auf die Beschwerde der Staatskasse den Beschluss des Landgerichts über die Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen für die Anfertigung eines Ergänzungsgutachtens abgeändert und von 9.046,24 EUR (gemäß Rechnung des Sachverständigen) auf lediglich den bis zur Gutachtenerstattung angeforderten Vorschuss inklusive des schriftlich mitgeteilten Mehraufwands in Höhe von 6.188,00 EUR festgesetzt. Laut Beschwerdegericht war dabei auf den Betrag abzustellen, der sich ohne Fremdkosten für die Bauteilöffnung errechnet. Kosten in dem gebührenfreien Verfahren werden nicht erstattet.

Das Landgericht hatte für das Ergänzungsgutachten einen Kostenvorschuss in Höhe von 4.000,00 EUR angefordert, der von der Beklagten eingezahlt worden ist. Alsdann fragte der Sachverständige an, in welcher Form bzw. über wen die Kosten für die Bauteilöffnung abgerechnet werden sollten. Nur für den Fall, dass die Bauteilöffnung durch ihn veranlasst werde, hat er die Gesamtkosten auf netto 7.200,00 EUR (= brutto 8.568,00 EUR) geschätzt. Aus der offengelegten Berechnung ergibt sich, dass er für die Bauteilöffnung Fremdkosten i.H.v. 2.000,00 netto (= 2.380,00 brutto) veranschlagt hatte. Damit hat er gleichzeitig zu erkennen gegeben, dass die bei ihm anfallenden Kosten ohne Bauteilöffnung voraussichtlich ca. 5.200,00 EUR netto (= 6.188,00 EUR brutto) betragen würden.

Die Frage nach der Zuständigkeit der Bauteilöffnung wurde in der Folge eindeutig geklärt. Nachdem der Beklagtenvertreter durch Schriftsatz mitgeteilt hatte, dass die Bauteilöffnung durch die Beklagte veranlasst werde und nachdem der Sachverständige vom Landgericht durch Verfügung gebeten worden war, dies bei seiner weiteren Planung zu berücksichtigen, durften alle Beteiligten von einem geschätzten Gesamtaufwand des Sachverständigen von 6.188,00 EUR brutto ausgehen.

Diesen Betrag hat der Sachverständige mit dem Rechnungsbetrag von 9.046,24 EUR um 46,2% und damit erheblich überschritten (vgl. zur Erheblichkeitsschwelle von ca. 20%: Toussaint / Weber, 51. Aufl. 2021, JVEG § 8a Rn. 74 m.w.N.). Auf den ggf. pandemiebedingten erheblichen Mehraufwand hat er nicht hingewiesen.

Die Verletzung der Hinweispflicht aus § 407a Abs. 4 ZPO war nicht unverschuldet i.S.d. § 8a Abs. 5 JVEG. Der Sachverständige hatte keinen Anlass, davon auszugehen, dass ihm die geschätzten Fremdkosten für die Bauteilöffnung auch dann zur Verfügung stehen, wenn er hiermit nicht beauftragt wird (und diese Kosten anderweitig anfallen). Er durfte auch nicht davon ausgehen, dass der Kostenvorschuss vom Landgericht in voller Höhe angefordert und von der Beklagten in voller Höhe gezahlt worden war, bevor die von ihm selbst aufgeworfene Frage der Zuständigkeit für die Bauteilöffnung geklärt war.

Der Umstand, dass die Beklagte einen weiteren Vorschuss i.H.v. 4.600,00 EUR eingezahlt hat, ist ohne Belang. Die Beklagte hat die Zahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geleistet, weil das Landgericht durch Beschluss die Übersendung des Ergänzungsgutachtens hiervon abhängig gemacht hatte. Dieser nach Erstattung des Gutachtens eingetretene Umstand kann den Vergütungsanspruch des Sachverständigen nicht nachträglich erhöhen.

Bei einer erheblichen Überschreitung des Vorschusses ist die Höhe der Vergütung auf den Auslagenvorschuss bzw. hier dessen mitgeteilte Überschreitung gedeckelt, ohne dass zusätzlich ein Toleranzrahmen zu erstatten wäre. Dem Gericht steht bei seiner Entscheidung kein Ermessen zu.


OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 20.04.2022, Az. 14 W 15/22


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