Melita Tuschinski informiert im Internet über ihr Expertenportal GEG-info.de zu den energiesparrechtlichen Regeln für Gebäude in der Praxis (© Foto: Wolfram Palmer)
  • 12.10.2021

Expertenmeinung: Energieausweise für die Praxis

Neuer Leitfaden zum Ausweis nach GEG 2020

Im Gespräch: Melita Tuschinski, Dipl.-Ing. UT, Freie Architektin in Stuttgart, Autorin des neuen Fachbuches

BauSV: Seit dem 1. November 2020 gilt für Gebäude und ihre Anlagentechnik das neue Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden, kurz Gebäudeenergiegesetz (GEG). Als freie Architektin und Expertin beschäftigen Sie sich an Ihrem Institut für Energie-Effiziente Architektur bereits seit vielen Jahren mit der Umsetzung der energiesparrechtlichen Regelungen für Gebäude.

In Ihrem Praxis-Dialog über Ihr Portal zur EnEV und nun auch zum GEG werden Sie dabei auch von weiteren erfahrenen Experten unterstützt. Schon bald wird das GEG ein Jahr alt. Wie ist bislang die Umsetzung des Gesetzes in der Praxis, vor allem mit Blick auf die Energieausweise, gelungen?

Tuschinski: Das neue GEG ist zwar als gesetzliche Regelung seit November letzten Jahres in Kraft. Jedoch war die Zeitspanne nach der Verkündung am 13. August 2020 für eine zeitnahe Umsetzung vergleichsweise sehr knapp bemessen. Deswegen räumte das Gesetz den Anwendern sehr umfangreiche Übergangsregeln ein. So wurden beispielsweise neue Energieausweise noch bis einschließlich 1. Mai 2021 nach den Regeln der vorhergehenden Energieeinsparverordnung (EnEV 2014) ausgestellt.

Auch waren die Muster für die Energieausweise nicht – wie wir dies seit 2002 aus der Vorgängerregelung EnEV kannten – im Gesetz selbst integriert. Die Ausweismuster nach GEG wurden erst am 3. Dezember 2020 durch die zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Auch musste das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) erst die Voraussetzungen schaffen, damit die Hersteller von Energieausweis-Software die neuen Regeln und Rechenmethoden nach GEG in ihre Programme integrieren konnten.

Erst nach und nach haben das BMWi und das BMI inzwischen auch die offiziellen Arbeitshilfen für die vereinfachte Datenaufnahme, zur Berechnung der Kennwerte für Verbrauchsausweise, zur Anwendung des Modellgebäudeverfahrens »GEG-easy« sowie die Richtlinien zur Bundesförderung effizienter Gebäude (BEG) über den Bundesanzeiger bekannt gemacht.

 

BauSV: Welche Bedeutung haben diese offiziellen Arbeitshilfen für die praktische Anwendung des GEG? War es da nicht trotz der zeitlichen Übergangsregelungen schwierig, sogleich mit dem neuen GEG zu arbeiten?

Tuschinski: Diese Arbeitshilfen betreffen größtenteils die Ausstellung von Energieausweisen. Die Umstellung auf neue gesetzliche Regeln ist für die Fachwelt und Immobilienwirtschaft nie einfach. Wir haben es 2002 beim Übergang von der Wärmeschutzverordnung (WSchVO 1005) zur EnEV erlebt. 2009 kam dann noch dazu das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG 2009) parallel hinzu.

Auch aus diesem Grund schlage ich über das Portal EnEV-online.de seit 2002 eine sehr »lebendige« Brücke zu den professionellen Anwendern, Betroffenen und Interessierten. Aus ihren Anfragen kenne ich auch viele Missverständnisse zum Energieausweis und mögliche Fehlerquellen bei der praktischen Anwendung des Energieeinsparrechts.

Beim GEG ist das ganz ähnlich. So konnte ich auch im Hinblick auf das neue Gesetz Antworten auf zahlreiche Anfragen geben, die mich zwischenzeitlich über GEG-info.de erreichten. Es ist erfreulich, dass das GEG durch geänderte Regeln oder bessere Formulierungen manche der bisher verbreiteten Irrtümer beseitigt bzw. aufklärt.

 

BauSV: Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) begann im August 2021 damit, Immobilienmakler abzumahnen, weil diese keine Energiekennwerte in ihren Anzeigen mit veröffentlicht hatten. Sind hierfür nicht eigentlich die Landesbehörden zuständig?

Tuschinski: Über diese Thematik und die Hintergründe habe ich mit Agnes Sauter, der Leiterin Ökologische Marktüberwachung der DUH, gesprochen und erfahren, dass ihre Organisation eine qualifizierte Einrichtung nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) wäre und daher befugt sei, Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und gegen Verbraucherschutzgesetze durch geeignete Maßnahmen des kollektiven Rechtsschutzes zu unterbinden.

Sie würden keine Bußgelder verhängen, forderten aber von den Immobilienmaklern, sich gegenüber der DUH zukünftig dazu zu verpflichten, die erforderlichen Angaben zu machen. Im Wiederholungsfall müsse der Makler eine Vertragsstrafe an die DUH oder Ordnungsmittel an die Staatskasse bezahlen.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte bereits Ende 2019, dass Energieverbrauchsangaben, Effizienzklassen und das Vorliegen eines Gebäudeenergieausweises bei der Bewerbung von Miet- und Kaufimmobilien praktisch nicht durch die Landesbehörden kontrolliert werden – einzige Ausnahme: die Marktüberwachungsbehörde in Bremen.

Die Verbraucher müssen sich aber bei der Wohnungssuche auf korrekte und vollständige Angaben zum Energieverbrauch und zum Sanierungszustand der Immobilien verlassen können. Dabei ist der Klimaschutz im Gebäudebereich eine wichtige Säule der europäischen Klimaschutzpolitik.

 

BauSV: Welche Bedeutung haben Energieausweise nach dem GEG in der Praxis?

Tuschinski: Der Energieausweis ist ein wesentliches Element des Energieeinsparrechts für Gebäude. Er stellt eine »energetische Momentaufnahme« des Gebäudes zum Zeitpunkt der Ausstellung dar. Die neuesten EU-Gebäuderichtlinie 2018 und das GEG stärken die Rolle des Energieausweises. Es besteht generell ein großer Bedarf und eine hohe Nachfrage nach Energieausweisen. Dieser Gebäude-Ausweis informiert über die energetischen Eigenschaften des Gebäudes und soll einen überschlägigen Vergleich mit anderen Bauten ermöglichen.

Das Gesetz schreibt Energieausweise für folgende Anlässe vor: fertiggestellte Neubauten, geänderte Bestandsbauten mit Gebäude-Nachweisen, Verkauf und Neuvermietung von gesamten Immobilien oder einzelnen Nutzungseinheiten, als Aushang in vielbesuchten Behördenbauten und gewissen privatwirtschaftlichen Gebäuden mit regem Publikumsverkehr.

Energieausweise gelten nur 10 Jahre lang und müssen unter Umständen erneuert werden. Fachleute, die Energieausweise ausstellen, können mit wachsenden Auftragszahlen rechnen, da auch die Verbraucher inzwischen recht gut Bescheid wissen und vor einem Immobilienkauf oder der Vermietung gezielt nach dem Energieausweis fragen. Trotz der gesetzlichen Vorgaben des GEG gibt es zahlreiche Fragen, die sich bei der Ausstellung von Energieausweisen ergeben.

 

BauSV: Sie haben sich intensiv mit der Thematik der Energieausweise befasst. Im November 2021 wird dazu Ihr neues Buch »Energieausweise für die Praxis« erscheinen. Sie führen damit eine Reihe weiter, die Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner, bis 2016 Referatsleiter im Bundesbauministerium, initiiert hatte. Seine letzte Ausgabe befasste sich mit den Energieausweisen nach EnEV 2014. Nun ist das neue GEG in Kraft und Sie haben das Buch komplett überarbeitet. Welche Neuerungen bringen Sie durch Ihre Autorenschaft in diese Reihe?

Tuschinski: Den bisherigen Autor Hans-Dieter Hegner kenne ich schon seit Anbeginn der »EnEV-Zeiten«. Ich habe vor Jahren sehr gut mit ihm zusammengearbeitet und seine Expertise stets geschätzt. Seine Energieausweis-Buchreihe war sehr erfolgreich. Zur letzten Ausgabe galten noch parallel die EnEV, das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG).

Nun hat das GEG diese drei Regelwerke zusammengeführt. Die insgesamt 114 Paragraphen und 11 Anlagen sind für Nicht-Juristen auch nicht so leicht »auf einen Blick« zu erfassen. Dazu tragen auch die vielen internen Verweise des Gesetzes bei. In meinem Buch habe ich den Fokus auf den Energieausweis gerichtet und auf die Vorgaben und Regeln des GEG, auf die ich dort ausführlich eingehe.

So umfasst der Energieausweis nach GEG beispielsweise auch Informationen zu den künftigen Inspektionsterminen für Klimaanlagen oder die Klimafreundlichkeit des Gebäudes durch Angabe der jährlichen Treibhausgasemissionen. Dabei erkläre ich auch, weshalb der Gesetzgeber die eine oder andere Änderung und Neuerung einführt hat und die diesbezüglichen Konsequenzen für die Praxis. Wer sich zunächst ganz allgemein zum Gesetz informieren will, findet im Kapitel »Gesetzliche Vorgaben des GEG kurzgefasst« die übersichtlichen Informationen dazu.

Mein Anliegen war es dabei, die neue Struktur des GEG, die ich grundsätzlich für sehr gelungen halte, auch für Nichtjuristen verständlich darzustellen. Deshalb habe ich auch GEG-Praxisbeispiele aus meinem Portal mit in das Buch aufgenommen. Die Antworten auf die zugehörigen Fragen stammen von Experten, mit denen ich auch sonst sehr gut zusammenarbeite, wie beispielsweise Michael Brieden-Segler, dem Geschäftsführer der e&u energiebüro gmbh, einem Energieberatungsbüro mit Sitz in Bielefeld.

Zum Kapitel »Energieausweise ausstellen« hat er als Co-Autor die Schritte zur Ausweiserstellung praxisorientiert erläutert und dabei auf mögliche Fehlerquellen hingewiesen. Auch hat er für vier Gebäudebeispiele die Energieausweise ausgestellt und die Ergebnisse anhand der Ausweise ausführlich kommentiert.

Bei den juristischen Fragestellungen hat mich Rechtsanwalt Dominik Krause aus Bremen unterstützt, so bei der vertragsrechtlichen Einbindung des Energieausweises und zu Problemen, die sich durch die Verwendung von Abkürzungen für Energiekennwerte in Immobilienanzeigen ergeben können.

Als Neuerungen bringe ich auch die gezielte Sichtweise auf den Energieausweis aus zwei wichtigen Perspektiven: Es sind erstens die Szenarien, die einen Energieausweis gesetzlich erfordern. Das GEG schreibt zu verschiedenen Anlässen Energieausweise vor und regelt den damit verbunden Ablauf sowie die Frage, wer welche Pflichten erfüllen muss.Ein Beispiel wäre der Energieausweis für einen fertiggestellten Neubau. Der Eigentümer bzw. der Bauherr muss dafür sorgen, dass ein gültiger Ausweis ausgestellt und ihm übergeben wird. Diesen bewahrt er auf und legt ihn der Baubehörde vor, wenn diese ihn verlangt.

Die zweite Perspektive umfasst die speziellen Aufgaben, die sich aus den gesetzlichen Vorschriften zum Energieausweis für die involvierten Akteure ergeben. Dieses sind alle Aktionen, die mit dem Energieausweis verbunden sind: bestellen, ausstellen, aufbewahren, der Behörde vorlegen, für Anzeigen auswerten und Kennwerte mit veröffentlichen, den Ausweis vertraglich einbinden, aushängen oder kontrollieren. Diese Aufgaben erfüllen unterschiedliche Akteure und das Gesetz regelt jeweils, wer was und wie durchführt.

Ein weiteres Beispiel wäre die Ausstellung des Energieausweises selbst. Das GEG bestimmt, wer Energieausweise ausstellen darf, die anzuwendenden Berechnungsmethoden für die Kennwerte, ihre Darstellung im Energieausweis, die bundesweite Registrierung des Dokumentes, die stichprobenhafte Kontrolle und die Höhe der Bußgelder bei Vergehen.

Im Buch sind die einzelnen Schritte und gesetzlichen Vorgaben jeweils ausführlich erläutert sowie mögliche Fehlerquellen aufgezeigt. Die Praxisbeispiele illustrieren dabei auftretende Probleme und zulässige Lösungen.

 

BauSV: Wie beurteilen Sie die Zukunft der Energieausweise?

Tuschinski: In den 1990er-Jahren gab es die ersten Energiepass-Experimente. Ein Gedanke war damals, das Energielabel an jedem Gebäude, gleich neben der Hausnummer, anzubringen. Heute gehen Länder wie Dänemark oder Italien dazu über, die Ausweise online in Stadtplänen zu integrieren oder als Grundlage für politische, energierelevante Entscheidungen zu nutzen.

Welche zukünftigen Visionen die EU-Gremien mit dem Energieausweis verbinden und wie laufende Projekte neue Fassetten des Ausweises dafür entwickeln, berichte ich im letzten Kapitel meines Buchs zu den »Perspektiven für Energieausweise«.

 

BauSV: Frau Tuschinski, herzlichen Dank für das Gespräch.



Informationen zum Buch:

Cover

 

www.shop.reguvis.de

www.baufachinformation.de

 

Kontakt

Melita Tuschinski
Dipl.-Ing./UT, Freie Architektin und Fachautorin in Stuttgart
Expertenportal: GEG-info.de | EnEV-online.de | GEIG-online.de
E-Mail: info@tuschinski.de
Internet: www.tuschinski.de

 


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