Expertenmeinung: Aktueller Stand der GEG-Novelle 2024 Melita Tuschinski
Melita Tuschinski (© Foto: Wolfram Palmer)
  • 21.07.2023

Expertenmeinung: Aktueller Stand der GEG-Novelle 2024

Im Gespräch: Dipl.-Ing. UT Melita Tuschinski, Freie Architektin, Herausgeberin des Fachportals GEG-info.de und des neuen GEG-Experten-Newsletters, Stuttgart

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG 2023), das erst seit Anfang des Jahres 2023 in Kraft ist, wird schon wieder geändert. Als sogenanntes »Heizungsgesetz« ist die GEG-Novelle seit Monaten sehr kontrovers »in aller Munde« und in allen Medien. Was sollten Bausachverständige zum aktuellen Stand und zu den künftig zu erwarteten Entwicklungen wissen, um ihre Kunden nachhaltig zu beraten? Unsere Interviewpartnerin Melita Tuschinski gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen und zu den wichtigsten Aspekten.

BauSV: Frau Tuschinski, Sie befassen sich seit über 20 Jahren intensiv mit den Energiesparregeln für Gebäude, seit 2020 mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG). Doch nicht alle Bausachverständigen sind permanent mit diesen Themen konfrontiert. Deshalb zunächst die grundsätzliche Frage: Was regelt das GEG eigentlich und wen betrifft dieses Gesetz?

Tuschinski: Die offizielle Bezeichnung des Gesetzes beantwortet diese Frage teilweise. Sie lautet »Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG)«.

Der Bund setzte mit dem GEG drei EU-Richtlinien hierzulande um. Diese betreffen Neubauten und bestehende Gebäude in den Mitgliedsländern. Sie regeln deren Gesamtenergieeffizienz, streben die Senkung der Treibhausgasemissionen (THG) an und fördern die Nutzung von erneuerbaren Energien. Daraus ergeben sich auch die Aspekte, welche das GEG regelt.

Gebäude müssen dermaßen geplant und gebaut werden, dass sie sich energieeffizient verhalten, wenn wir Menschen sie für die zugedachten Zwecke nutzen. Als Maßstäbe gelten der Primärenergiebedarf zum Heizen, Lüften, Wassererwärmen, Kühlen und Automatisieren sowie der Wärmeverlust durch die Gebäudehülle. Diese dürfen die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschreiten. Gebäude sollen auch die Umwelt mit möglichst wenig Treibhausgasen belasten.

Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen – beispielsweise der Solarstrahlung über Solaranlagen oder der Erdwärme über Wärmepumpen – honoriert das Gesetz über deren geringe Primärenergiefaktoren in der Berechnung der Energiebilanz des Gebäudes. Im Baubestand regelt das Gesetz die energetischen Anforderungen bei Änderungen, Umbauten oder Erweiterungen. Eigentümer von Bestandsbauten müssen diese pflichtweise gemäß GEG energetisch nachrüsten Das Gesetz regelt auch alle Aspekte zum Energieausweis, der die energetischen Eigenschaften des Gebäudes kommuniziert.

Betroffen sind zunächst die Bauherren von Neubauten und die Eigentümer von Gebäuden im Bestand. Sie alle müssen sich darauf verlassen könne, dass sie von Bausachverständigen korrekt beraten werden, auch zu den Chancen für finanzielle staatliche Förderhilfen. Für Planer stellt sich die Frage, ob sie berechtigt sind, die energetischen GEG-Nachweise zu führen und Energieausweise auszustellen. Ebenso sind Immobilienmakler durch das GEG verpflichtet, in Zusammenhang mit kommerziellen Anzeigen und das Vorzeigen des Energieausweises bei anstehendem Verkauf oder Neuvermietung von Gebäuden oder Schornsteinfeger bei der Kontrolle von Heizungsanlagen.

 

BauSV: Die erste Version des Gebäudeenergiegesetzes trat am 01.11.2020 in Kraft. Daher wurde es in der Baubranche als »GEG 2020« bekannt. Die Bundesregierung hat dieses 2022 – also im vergangenen Jahr – geändert und seit Anfang dieses Jahres gilt die Novelle als sogenanntes »GEG 2023«. Warum soll das GEG nun schon wieder geändert werden?

Tuschinski: Gute Frage! Wenn wir uns an die Energieeinsparverordnung (EnEV) erinnern, befand sich diese permanent im »Versionen-Wettlauf« mit der EU-Gebäuderichtlinie, die sie in Deutschland umsetzte. Diese Richtlinie galt zunächst in der ersten Version ab 2003 und wurde danach 2010 und 2018 geändert. Der EnEV 2002 folgten die EnEV 2007, EnEV 2009 und EnEV 2014.

Nun wird auch die EU-Gebäuderichtlinie seit 2021 wieder novelliert, doch sie ist noch nicht ganz »fertig«. Die drei EU-Gremien – Kommission, Parlament und Rat – sind dabei, sich im Rahmen eines Trilogs zu einigen. Die Anforderungen der verkündeten novellierten EU-Gebäuderichtlinie werden dazu führen, dass das GEG kurzfristig wieder geändert wird, je nachdem, welche Fristen gelten. Der Entwurf vom 14.03.2023 setzte als zeitlichen Erfüllungsrahmen für die Mitgliedsstaaten zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie.

Die aktuelle GEG-Novellierung ist primär den festgelegten Zielen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung geschuldet. Im Kapitel »Klimaschutz im Gebäudebereich« heißt es dazu: »... wir ändern das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wie folgt: Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65% erneuerbarer Energien betrieben werden; zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im GEG die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem [Effizienzhaus] EH 70 entsprechen; im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen. Daneben können im Rahmen der Innovationsklausel gleichwertige, dem Ziel der Emissionsreduzierung durch Treibhausgase folgende Maßnahmen eingesetzt werden. ... Wir verbessern, vereinheitlichen und digitalisieren den Gebäudeenergieausweis ...«

 

BauSV: Was soll sich durch die GEG-Novelle 2024 gesetzlich ändern?

Tuschinski: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn wir sprechen hier von der Änderung des GEG 2023, das selbst als Änderungsgesetz des GEG verkündet wurde.

Ich habe mir beim ersten Referentenentwurf zum GEG 2024 vom 7. März 2023 noch die Mühe gemacht, darauf aufbauend eine kompilierte, nicht amtliche Fassung der potenziellen GEG-Novelle in meinem Portal zu veröffentlichen. Darin erkennt man auf einen Blick, weshalb alle vom »neuen Heizungsgesetz« sprechen. Der vierte Teil zur Anlagentechnik wurde grundlegend erneuert.

Doch der Referentenentwurf, auf den sich die zuständigen Bundesministerien am 3. April 2023 einigten, war schon wieder geändert. Die vom Bundeskabinett beschlossene Fassung sah folgende Änderungen vor: Ab 2024 sollten alle neuen Heizungen zu mindestens 65% aufgrund von erneuerbaren Energien betrieben werden. Dabei sollten Gebäudeeigentümer zwischen vorgegebenen Erfüllungsoptionen wählen oder individuelle Lösungen umsetzen und den erneuerbaren Anteil rechnerisch nachweisen. Wenn eine Heizung kaputtgehen sollte, sollten bestimmte Übergangsfristen und Ausnahmen gelten, beispielsweise auch für über 80 Jahre alte Eigentümer. Bei Härtefällen sollten Ausnahmen wegen der Unwirtschaftlichkeit der Investitionen möglich sein. Auch sollte der Umstieg auf das erneuerbare Heizen durch staatliche finanzielle Förderung unterstützt werden durch Zuschüsse, Kredite oder steuerliche Erleichterungen.

Die nachträglichen »Leitplanken zur GEG-Novelle« brachten den ersten »Schwung von Erleichterungen« der Anforderungen: In Deutschland solle demnach eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung eingeführt werden. Die Anforderungen an neue Heizungen sollten davon abhängen, ob eine solche für das jeweilige Gebiet vorliege. Bei den Erfüllungsoptionen sollten die technischen Hürden beseitigt werden, beispielsweise würden Heizungen mit Holz und Pellets die 65%-Vorgabe ausnahmslos erfüllen. Unnötige ordnungsrechtliche Vorgaben, die weder zur Erfüllung der 65%-Anforderung benötigt werden noch Bestandteil von Vereinbarungen der Koalition seien, würden gestrichen. Mieter sollten nicht über Gebühr belastet werden und Vermieter sollten Anreize erhalten, in moderne Heizungssysteme zu investieren. Die Förderung und die Ausnahmeregelungen sollten überarbeitet werden und plausibel gestaltet sein.

Die spätere 111-seitige »Formulierungshilfe zur GEG-Novelle« des Bundeswirtschaftsministeriums brachte den »letzten Schwung« von teilweise überraschenden »Milderungen« in den Gesetzentwurf: Der Einsatz von Holzheizungen wird nicht mehr eingeschränkt. Die Beratung ist nicht mehr nur auf speziell qualifizierte Energieberater beschränkt. Auch Installateure und Schornsteinfeger dürfen zum Einbau einer neuen Heizung beraten. Die Beschränkung von Ausnahmen wurde erheblich »gemildert« und hängen davon ab, ob bereits eine kommunale Wärmeplanung vorliegt.

 

BauSV: Wie ist der aktuelle Stand in Sachen GEG-Novelle?

Tuschinski: Am Freitag, den 7. Juli 2023, also noch vor der Sommerpause, sollte der Bundestag über das geänderte Gebäudeenergiegesetz (GEG) endgültig abstimmen. In den Tagen davor ging es »Schlag auf Schlag«: Am 3. Juli 2023 fand die zweite öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie statt. Am Nachmittag des 4. Juli 2023 legten die Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag zum GEG-Entwurf vor. Am Morgen des 5. Juli 2023 beriet der Ausschuss erneut.

Doch das Bundesverfassungsgericht hat die weitere Abstimmung am Abend des 5. Juli 2023 durch Beschluss (Az. 2 BvE 4/23) auf einen Eilantrag im Organstreitverfahren bzgl des Gesetzgebungsverfahrens zur 2. Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG – »Heizungsgesetz«) gestoppt. Dem Deutschen Bundestag wurde aufgegeben, die zweite und dritte Lesung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur »Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung« (BT-Drs. 20/6875) nicht innerhalb der laufenden Sitzungswoche (27. Kalenderwoche) durchzuführen. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt.

Thomas Heilmann, Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, hatte einen Eilantrag gestellt. Das Gesetzgebungsverfahren würde seine Rechte als Mitglied des Deutschen Bundestags verletzen. Mit seinem Antrag zielte Heilmann erfolgreich darauf ab, dem Deutschen Bundestag die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs vorläufig zu untersagen. Allen Abgeordneten müssten die wesentlichen Textpassagen für die zweite Lesung mindestens 14 Tage vorher zugegangen sein.

Zur Erinnerung einige parlamentarische Schritte der GEG-Novellierung vor diesem Eklat: Den Entwurf der zuständigen Bundesministerien billigte das Bundeskabinett am 19. April 2023. Danach brachte die Bundesregierung am 17. Mai 2023 den Gesetzentwurf im Bundestag ein, als Drucksache 20/6875 zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, der Heizkostenverordnung sowie der Kehr- und Überprüfungsordnung. Am 13. Juni 2023 veröffentlichten die Koalitionsfraktionen ein zweiseitiges Papier als »Leitplanken der Ampel-Fraktionen zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes«. Sie listen wichtige Gesichtspunkte aus, die im weiteren Novellierungsverfahren zu berücksichtigen wären.

Der Bundestag hat den Novellen-Entwurf am 15. Juni 2023 in erster Lesung im Plenum beraten und an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen. Letzterer führte am 21. Juni 2023 eine Sachverständigenanhörung zum ursprünglichen Gesetzentwurf durch unter Berücksichtigung der Leitplanken. Am 30. Juni 2023 wurde dem Ausschuss für Klimaschutz und Energie die 94-seitige »Formulierungshilfe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz für einen Änderungsantrag« der Koalitionsfraktionen vorgelegt. Die zweite öffentliche Anhörung des Ausschusses fand am Montag, dem 3. Juli 2023 statt. Am Nachmittag des 4. Juli 2023 legten die Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag zum Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes vor. Am Morgen des 5. Juli 2023 beriet der Ausschuss erneut. Am 7. Juli 2023 sollten die zweite und dritte Lesung mit der Schlussabstimmung im Deutschen Bundestag stattfinden.

 

BauSV: Was können Bausachverständige ihren verunsicherten Kunden raten, was für eine Heizung lohnt es sich jetzt zu installieren?

Tuschinski: Zu dieser Frage lasse ich meinen Kollegen, den Heizungsexperten Michael Brieden-Segler, Geschäftsführer von e&u energiebüro in Bielefeld, zu Wort kommen:

»Es sollte keine fossile Heizung mehr eingebaut werden, dies verbietet sich allein schon aus Klimaschutzgründen. Aber auch wirtschaftlich muss man von einer fossilen Gas- oder Ölheizung abraten. Wegen wachsender CO2-Steuern und des Ausbleibens von billigem russischem Gas und Öl ist weiterhin mit sehr hohen Energiepreisen zu rechnen.

Erneuerbare Energien hingegen, beispielsweise elektrischer Strom durch Fotovoltaikanlagen, senken den Preis für den Einsatz von Wärmepumpen. Zudem bereitet die Bundesregierung eine erhebliche Erhöhung der Förderung erneuerbarer Heizungen vor. Fossile Wärmeerzeuger hingegen werden nicht gefördert und werden künftig dadurch viel teurer sein. Erneuerbare Heizungen wie beispielsweise Wärmepumpen oder Fernwärme werden günstiger sein.«

 

BauSV: Und wie geht es nun weiter mit der GEG-Novelle?

Tuschinski: Die zweite und dritte Lesung im Bundestag werden voraussichtlich ab September 2023, also nach der Sommerpause, stattfinden. In den Medien wurden auch bereits Spekulationen verbreitet, dass in Ausnahmenfällen der Bundestag auch während der Sommerpause einberufen werden kann, doch davon ist derzeit nicht mehr die Rede.

Über mein Fachportal GEG-info.de und den neuen GEG-Experten-Newsletter werde ich weiterhin die professionellen Anwender des GEG auf dem Laufenden halten.

 

BauSV: Frau Tuschinski, vielen Dank für das Gespräch.


Alle Quellenangaben siehe auch auf www.geg-info.de


Kontakt

Melita Tuschinski
Dipl.-Ing./UT, Freie Architektin und Fachautorin in Stuttgart
Expertenportal: GEG-info.de | EnEV-online.de | GEIG-online.de
E-Mail: info@tuschinski.de
Internet: www.tuschinski.de

 


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