• 17.05.2024

50 Jahre Forschung und Lehre für die Baupraxis

Nachlese zu den 50. Aachener Bausachverständigentagen 2024

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Zum 50. Jubiläum der Aachener Bausachverständigentage kamen am 8./9. April 2024 rund 1.100 Teilnehmer und Teilnehmerinnen – in Präsenz im Aachener Eurogress und online – zusammen, um spannenden Vorträgen zu lauschen. Auch in diesem Jahr gab es genügend Möglichkeiten für Fachgespräche, den persönlichen Austausch sowie für den Besuch der begleitenden Messeausstellung. Für besonderes Flair sorgte der Umstand, dass der Eurogress dieses Jahr jedenfalls außen standesgemäß eine Baustelle war.

Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller vom AIBau eröffnete die Jubiläumsveranstaltung. Er übermittelte zahlreiche Grußworte. Dabei ist die Fachtagung schon ein halbes Jahrhundert ein fester Bestandteil der Fortbildung von Sachverständigen und alles andere als in die Jahre gekommen.

Nach dem Tätigkeitsbericht des AiBau folgte der erste Fachvortrag von Richterin am BGH Dagmar Sacher, Karlsruhe, die sich mit der Entwicklung der schadensrechtlichen Rechtsprechung des BGH bei mangelhafter Werkleistung befasste: »Jetzt wird es gleich zu Anfang juristisch; es gibt auch keine Bilder und ich bin froh, dass Sie diesen Vortrag nicht gleich geschwänzt haben.«


Wie verändert Künstliche Intelligenz die Arbeit der Sachverständigen?

Dr. Jürgen Rink, Physiker und Fachjournalist, berichtete danach über Potenzial und Grenzen von KI als Chance für Sachverständige. Das Jahr 2 der generativen KI ist der größte Sprung seit dem Internet – jeden Tag gibt es etwas Neues. Was kann generative KI zurzeit? Die KI »kann« Bilder, Texte, Audio, Recherche, Video und Programmieren. Es gibt noch keine KI, die Gutachten schreibt und das wird auch eine Weile so bleiben. Aber es gibt viele Tools – ca. 6.000 – mit denen man arbeiten kann. Die letzte Instanz zur Kontrolle der Ergebnisse ist aber immer noch der Mensch.

Es folgten ein Überblick über wichtige Neuerungen in bautechnischen Regelwerken, dargestellt von Dipl.-Ing. Géraldine Liebert, saSV für Schall-/Wärmeschutz, AIBau, Aachen, sowie ein Beitrag von Dipl.-Ing. Friedrich Fath, BDB, Kreuztal, zum GEG und der Energieeinsparung durch (noch) mehr Wärmeschutz im Bestand.

Nach der Mittagspause folgte der erste Themenblock zu hinzunehmenden Unzulänglichkeiten. Prof. Zöller stellte einen neuen Forschungsbericht vor mit Fragen zu Substitution und Risikoanalyse anstelle von Abbruch und Entsorgung. Tenor ist nicht (mehr) die bloße Streitvermeidung. Unregelmäßigkeiten sind als vom Vertrag vorausgesetzte, mangelfreie Leistung hinzunehmen. Bei Mängeln sind nicht nur die gesetzlichen Vorgaben zum Werkvertragsrecht, sondern die Gesetzeslage insgesamt zu beachten. Einzelfallentscheidungen beschränken sich nicht auf die Lösung konkreter Probleme, sondern wirken sich in zunehmendem Maße auf nicht unmittelbar Betroffene und die Umwelt aus. Das führt zur (auch gesetzlichen) Notwendigkeit, mit Mängeln neu umzugehen und schränkt die Option ein, wegen bloßen Abweichungen vom Vertragssoll neu Gebautes gleich wieder abzubrechen und austauschen zu müssen.

Danach referierten Dipl.-Ing. Harold Neubrand, SV für Lufthygiene und Schadstoffe, Beratender Ingenieur, Bad Boll, zu Gerüchen und Schadstoffen und Prof. Dr. Martin Schäfers, HAWK Hildesheim, zu Befestigung, Fußpunktdetails und Ausblühungen trotz Ausblühschutz an Verblendmauerwerk.

Nach der Kaffeepause folgte ein Beitrag von Dipl.-Ing. LL.M. Maria Dilanas, ö.b.u.v. SV für Schäden an Gebäuden, Walzbachtal, zu barrierefreien Schwellen an Türen und Dachterrassen: neue Normen, neue Systeme. Die Empfehlung lautete: Bauen Sie ihre Schwellen angesichts des Klimawandels und der zu erwartenden Starkregenereignisse lieber höher mit einer kleinen Rampe. Nach einem Fallbeispiel stellte Dipl.-Ing. (FH) Sebastian Kammerer, Sopro Bauchemie GmbH, Wiesbaden, barrierefreie Duschen vor und erläuterte Fragen zu Abdichtung, Aufkantungen und Gefälle.

Wie jedes Jahr gab es Podiumsdiskussionen mit den Referenten zu den Vorträgen des Tages.

Um 19:00 Uhr folgte dann das festliche Highlight der diesjährigen Veranstaltung mit dem traditionellen Treffen im Foyer des Eurogress. Ca. 550 angemeldete Teilnehmer lauschten Grußworten von Prof. Zöller und Dipl.-Ing. Martin Oswald M.Eng. sowie der Laudatio von Prof. Pohlenz mit einem Rückblick auf 50 Jahre. Wie üblich ging es danach in den gemütlichen Teil des Abends bei Bier, Wein, kleinen Stärkungen, Musik und vielen guten Gesprächen über.

An Tag 2 der Aachener Bausachverständigentage ging es frühmorgens gleich ans Eingemachte mit dem Themenblock zu A.R.d.T., Technische Bestimmungen, DIN-Normen etc. Diese zweite Themengruppe ging auf die 10 Empfehlungen des AK V/VI des 9. Deutschen Baugerichtstags zurück. Die Beiträge befassten sich mit der teils gesetzlich geforderten Neuorientierung zu anerkannten Regeln der Technik, wobei die Auswirkungen auf die Sachverständigentätigkeit diskutiert wurden.

Michael Halstenberg, Ministerialdirektor a.D., Prof. Stefan Leupertz, Präsident des DBGT und Prof. Zöller vom AiBau diskutieren über die rechtliche Neujustierung von Abweichungen und den Folgen für Sachverständige. Prof. Leupertz erklärte deutlich: »Wir leben in einem Zeitalter brutaler Überregulierung« und erhielt dafür tosenden Applaus des Auditoriums. Abweichungen von den A.R.d.T. müssen ausdrücklich vereinbart werden, da nach Jahrzehnten höchstrichterlicher Rechtsprechung die A.R.d.T. einen Mindeststandard darstellen.

Das aktuelle Thema war diesmal Holzbau. Prof. Zöller führte mit Fallbeispielen in das Thema ein. Holz gilt als ein wichtiger Baustein für ressourcenschonendes Bauen. Neben den geringen Belastungen für die Umwelt bei der Baustoffgewinnung und die grundsätzlich gute Verwendbarkeit von Bauteilen trägt Holz mit im Baustoff gespeichertem CO2 dazu bei, die Umwelt möglichst gering zu belasten. Das aber setzt voraus, dass Holzbauten die heutigen Erwartungen an moderne Gebäude hinsichtlich Feuchteschutz, Brandschutz und Schallschutz erfüllen. Dazu müssen andere als bislang gewohnte Bauweisen und Bauabläufe berücksichtigt werden, um nicht den lobenswerten Ansatz, Holz sehr viel mehr als bislang einsetzen zu wollen, zu gefährden.

Die weiteren Vorträge hielten dann Dipl.-Ing. Martin Mohrmann, Kiel, zu modernem Holzbau und Feuchteschutz in der Bauphase und in der Nutzung, Dipl.-Ing. Guido Franken, Prüfingenieur für Brandschutz, Aachen, zum Brandschutz im Holzbau, sowie Prof. Dipl.-Ing. Rainer Pohlenz, ö.b.u.v. SV, IFAS, Aachen, zum Schallschutz bei Mehrfamilienwohnhäusern aus Holz.

Nach einem weiteren Fallbeispiel stellte Ludwig Held, DDM, KM, ö.b.u.v. SV, Reinheim, die Anforderungen an Dach und Wand bei integrierten PV-Anlagen dar. Danach referierte Dipl.-Ing. Stefan Horschler, SV energiesparender Wärmeschutz und klimabedingter Feuchteschutz, Hannover, über das Lüften im Wohnungsbau und zeigte dabei die Möglichkeiten und Grenzen der Fensterlüftung auf.

Zum Abschluss erläuterte Dipl.-Ing. Silke Sous, ö.b.u.v. SV für Schäden an Gebäuden, AIBau, Aachen, die Aspekte von Schimmel in Dämmschichten unter Estrichen. Sie stellte die Ergebnisse der Forschung zu »üblichem« Schimmel unter Estrichen sowie die Übertragung in Innenräume vor, insbesondere zum Pumpeffekt und zum üblichen mikrobiellen Zustand.

Dazu passte hervorragend, dass Dipl.-Ing. (FH) Architektin Irina Kraus–Johnsen aus Hamburg an unserem Stand das von ihr herausgegebene, druckfrisch in zweiter aktualisierter Auflage 2024 erschienene Schimmelpilzhandbuch an unserem Stand präsentierte.

Dipl.-Ing. (FH) Architektin Irina Kraus–Johnsen
Dipl.-Ing. (FH) Architektin Irina Kraus–Johnsen


Nach einer lebendigen Podiumsdiskussion zum Schluss folgte noch ein wichtiger Hinweis: Alle Beiträge können auch noch in der Mediathek angesehen werden. Es war wieder eine hochkarätige, kurzweilige und sehr informative Veranstaltung. Die nächsten (51.) Aachener Bausachverständigentage werden am 7./8. April 2025 stattfinden. Auch wir werden wieder mit dabei sein.

Die Redaktion »Bausachverständige«


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