DER BAUSV 4/2019


Jürgen Ulrich


Zur Bezahlung des gerichtlichen Sachverständigen

Istzustand und Sollzustand der JVEG-Vergütung – Stundenansatz ist nicht Stundensatz!


1. Sachverständigenvergütung nach dem aktuellen System des JVEG

Bevor über einen angemessenen neuen Stundensatz für gerichtliche Sachverständige, also einen »Sollzustand«, reflektiert wird, sollte sorgsam der »Istzustand« festgestellt werden, will heißen: Es ist herauszuarbeiten, was die in Bausachen für Gerichte tätigen Sachverständigen nach JVEG-Recht denn verdienen (können); nur so kann dann Gleiches an Gleichem gemessen werden!

Ich halte es insoweit für unzureichend, dem nackten, aus der Zuordnung der Leistungen gemäß der Anlage 1 (zu § 9 Abs. 1) abgeleiteten JVEG-Stundenansatz des § 9 JVEG einen vermeintlich auskömmlichen – wieso eigentlich an der Besoldungsgruppe A 14 orientierten? – Stundenpreis gegenüberzustellen, um aus dem so konstruierten Vergleichsergebnis dann abzuleiten, dass dieser niedrigere JVEG-Stundenansatz komplett anachronistisch sei und unbedingt dem höheren (»angemessenen«) Stundenpreis angepasst werden müsse (so aber Czarnetzki, Der Sachverständige, 2014, S. 281).

Denn der JVEG-Stundenansatz des § 9 JVEG ist bei Licht doch nur einer von mehreren Komponenten des wirklichen Stundenhonorarbetrags des gerichtlichen Sachverständigen. Die JVEG-Vergütung setzt sich nämlich zusammen aus der nach den §§ 8 Abs. 2, 9 JVEG zu ermittelnden »Leistungsvergütung« (= Aktenstudium + Vorbereitung + Ortstermin + Ausarbeitung des Gutachtens + Korrektur des Gutachtentextes, diese Positionen insgesamt multipliziert mit dem individuellen, gesetzlichen Stundenansatz) zuzüglich der in den §§ 5, 6, 7 und 12 JVEG differenzierend und sehr verfächernd geregelten individuellen »Aufwendungen« (= Hilfskräfte + Porti/Telefon und Internet + Fotos + Pauschale für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens + Ablichtungen/Farbkopien + Fahrtkosten + diverse weitere Aufwandsvergütungen).

In den fast 38 Jahren meiner berufsrichterlichen Tätigkeit habe ich gewiss wohl mehr als 8000 Rechnungen der gerichtlichen – auch Bausachverständigen inhaltlich zur Kenntnis genommen. Dabei habe ich, bisweilen staunend ob der Kreativität einiger Rechnungsverfasser, erkennen können, dass die in Rechnung gestellten vielfältigen »Aufwendungen« in ihrer jeweiligen Summe diejenige der reinen »Leistungsvergütung« in der Regel deutlich überstiegen, mithin weit mehr als die von Czarnetzki reklamierten, nicht näher belegten »bloß 18%« ausmachten. Diesen Rechnungsverfassern ist es so – gesetzgeberisch gewollt – nämlich möglich, Positionen, welche in der freien Wirtschaft üblicherweise in die privaten Stundensätze bereits eingepflegt worden sind, als gesonderte, also zusätzliche, Aufwendungen (= extra) zu berechnen.

Allerdings habe ich auch feststellen müssen, dass einige Sachverständige – wohl wegen ihrer beschränkten, individuellen (Un-)Kenntnis der Regelungen des vom Verständnis und dem Anwendungsaufwand her gewiss komplizierten JVEG – zu ihren Ungunsten zu wenig etwa an berechtigter Arbeitszeit in Rechnung gestellt haben. Insbesondere fehlte es an der hinreichenden und angemessenen fallbezogenen Darstellung der doch bedeutsamsten Position »Ausarbeitung des Gutachtens«; auch die gesetzlichen Möglichkeiten der zusätzlich abrechenbaren »Aufwendungen« werden vielfach nicht ausgeschöpft. Aktuell stelle ich fest, dass gerade diese zu ihren Lasten unzureichend abrechnenden gerichtlichen Sachverständigen diejenigen sind, welche eine nicht auskömmliche JVEG-Vergütung undifferenziert monieren.

2. Erkenntnisse des Verfassers aufgrund seiner Einschaltung von privaten Gutachtern

In der seit meiner Pensionierung nun ablaufenden Zeit beschäftige ich mich vielfach und vielfältig mit privaten, mir zur Erledigung angetragenen Streitschlichtungen und schiedsgerichtlichen Verfahren insbesondere in Bausachen. Nicht selten hole ich dann – von mir beauftragt – schriftliche technische Gutachten ein; die von mir in diesen Verfahren formulierten »Beweisfragen« sind identisch mit denjenigen, die ich während meiner berufsrichterlichen Tätigkeit in den Beweisbeschlüssen fabriziert habe.

Es ist nun nicht nur so, dass ich diese Gutachten deutlich zügiger als während meiner ehemaligen gerichtlichen Tätigkeit – übrigens nicht selten von denselben Verfassern – erhalte; ich konstatiere ferner – und das ist für mich derart auffällig, dass ich an der Berechtigung meines in früherer Zeit betriebenen Engagements für eine höhere gesetzliche Vergütung der gerichtlichen Sachverständigen zu zweifeln beginne und heute solche Maßnahmen nicht mehr betreiben mag –, dass die mir seitens dieser Gutachtenverfasser zur Bezahlung dann präsentierten Abrechnungen ihrer privaten Gutachtertätigkeiten in den Rechnungsergebnissen, also den Endbeträgen, durchweg auffällig niedriger (!) liegen, als es diese betreffend die gleiche Tätigkeit als Sachverständige für Gerichte früher waren.

Bisher hat noch kein Gutachter/Sachverständiger, den ich in jüngerer Zeit auf dieses »Phänomen« angesprochen habe, mir nachvollziehbar eine Begründung eben dafür liefern können (oder wollen), warum dieselbe Betätigung von privaten Gutachtern erledigt im Ergebnis weniger kostet, als hätte diese ein gerichtlich hinzugezogener Sachverständiger gebracht.


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