DER BAUSV 6/2018

Laufsohle des Prüfschuhs

Ingo Kern


Rutschsicherheit im privaten Wohnungsbau


Bekanntlich werden so viele unterschiedliche Auffassungen zur Rutschsicherheit vertreten, dass regelmäßig Regelungen, die dem Arbeitnehmerschutz dienen, auf öffentlich zugängliche oder private Bereiche übertragen werden.

Im Rahmen der Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums einer Wohnanlage in Stuttgart wurde ein Erwerber zum Termin durch einen Sachverständigen begleitet. Das zentrale Treppenhaus war mit einem italienischen Granit ausgestattet. Der Sachverständige rutschte mit seinen glänzenden schwarzen Lederslippern auf dem Granit hin und her. Der kreative Moment des fachfremden Beitrags wurde untermauert mit dem Testat, die Rutschfestigkeitsklasse entspräche nicht den Mindestanforderungen und das Objekt sei mithin nicht abnahmefähig. Das subjektive Empfinden war Grundlage der Auseinandersetzung über die Rutschfestigkeit der Natursteinböden im Treppenhaus der Wohnanlage.

Der Sachverständige erklärte, ob es schriftlich niedergelegte Vorschriften zur Rutschfestigkeit gäbe, sei irrelevant. Auch ein Bodenbelag in einem privaten Treppenhaus müsse verkehrssicher und zur gewöhnlichen Nutzung geeignet sein. Der Treppenhausbelag sei mindestens mit dem Rutschhemmungsfaktor R9 zu erbringen. Sein Eindruck vermittle ihm jedoch das Gegenteil. In Baden-Württemberg müsse ein Bauwerk derart entworfen und ausgeführt sein, dass sich bei der Nutzung keine unannehmbaren Gefahren durch Rutschunfälle ergäben.

Die Verweigerung der Abnahme aus dem persönlichen Schneiderbetrieb der Meinungsherstellung zu stricken, mag den individuellen Rezipienten und Meinungsweiterverbreiter überzeugen. Eine durchgreifende Anspruchsgrundlage ist es nicht.

Folgte man dem Wunsch des Gutachters, würde es genügen, Gesetze und Normen wörtlich nachzubeten. Aber auch wenn der Wortlaut eindeutig sein sollte, kommt man bei der Auslegung oft nicht ohne Rückgriff in Anlehnung auf die Ratio Legis aus. Dafür ein Beispiel: Das Verbot »Betreten des Rasens verboten« ist sprachlich an sich eindeutig. Die einfache, vom Verwender zu entscheidende Frage, ob auch das Befahren darunter fällt, ist nach dem Wortlaut klar zu verneinen, nach dem Sinn hingegen ohne Weiteres zu bejahen. Spricht das Gesetz nur von Bürgern, so kann zweifelhaft sein, ob darunter auch die Bürgerinnen fallen.

Die angemessene Anwendung von Normen, Regelwerken, Merkblättern oder dgl. sollte mit kritischem Verstand selbstverständlich sein. Ginge es nur um den Wortlaut, bräuchte man keinen Sachverständigen.

In der Praxis kann es sich als schwierig erweisen, im Einzelfall die für die Bauausführung maßgeblichen anerkannten Regeln der Technik zu bestimmen. DIN-Normen sind allerdings ein Anhaltspunkt. Bereits deren Auslegung kann erhebliche Probleme bereiten, die ohne die Hilfe von Sachverständigen kaum zu bewältigen sind. Die subjektive, nicht auf ausreichende Erfahrungen gestützte Sicht, ist nicht maßgeblich.


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