BauSV 2/2023


Baurecht


Mark Seibel


Privatgutachten vor Gericht

Bedeutung des Privatgutachtens für den (privaten) Bauprozess


Unser Beirat Dr. iur. Mark Seibel beschäftigt sich in diesem Beitrag mit der Bedeutung des Privatgutachtens für den (privaten) Bauprozess. Er hat zu diesem Thema auch auf unserer 11. Fachtagung »Der Bausachverständige« am 16.03.2023 referiert.

Privatgutachten sind essenzieller Teil von nahezu jedem (privaten) Bauprozess. Sie sind qualifizierter und urkundlich belegter Teil des Parteivortrags, mit dem sich Gerichte – wollen sie dem verfassungsrechtlichen Anspruch einer Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gerecht werden – im Einzelnen auseinanderzusetzen haben.

In der gerichtlichen Praxis werden durch Privatgutachten belegte Einwendungen einer Partei gegen ein Gerichtsgutachten jedoch vielfach ohne nähere Begründung mit der Leerformel vom »nachvollziehbaren und überzeugenden Gerichtsgutachten« beiseitegeschoben. Im Folgenden wird dargestellt, warum dies der Bedeutung eines Privatgutachtens für den (privaten) Bauprozess nicht gerecht wird.


1. Privatgutachten – Qualifizierung und Zweck

Als Privatgutachten werden Sachverständigengutachten bezeichnet, die – im Unterschied z.B. zu § 404 Abs. 1 ZPO – nicht vom Gericht, sondern regelmäßig von einer der Parteien vor oder während eines Prozesses eingeholt werden. Privatgutachten sind nicht als Sachverständigenbeweis i.S.d. §§ 402 ff. ZPO anzusehen und können daher auch nicht gemäß § 411 bzw. § 411a ZPO verwertet werden; sie gelten vielmehr als qualifizierter und urkundlich belegter Teil des Parteivortrags.

Ein Privatgutachten bezweckt, über die allgemeine Substantiierungspflicht im Prozess hinaus die zur Beurteilung von Sachverhaltsfragen erforderliche Sachkunde in den (privaten) Bauprozess einzuführen, um ein Unstreitigstellen, einen Vergleich, die Einholung eines Gerichtsgutachtens oder die Überprüfung eines bereits vorliegenden Gerichtsgutachtens zu erreichen.


2. Privatgutachten vor Gericht – Status quo

In der gerichtlichen Praxis werden die Feststellungen eines Privatsachverständigen leider nur äußerst selten im Rahmen der Entscheidungsfindung berücksichtigt oder gar verwertet. Dem liegt offenbar die (unausgesprochene) Vorstellung zugrunde, die Feststellungen eines Privatsachverständigen seien »parteiisch« und deswegen von vornherein nicht verwertbar. Leupertz / Hettler konstatieren daher zutreffend:

»In der Praxis wird gegen die Einschaltung eines Privatgutachters immer wieder eingewandt, das Privatgutachten habe im Prozess keine unmittelbare Beweiskraft. Dieses Argument ist ebenso richtig wie falsch. Tatsache ist, dass die Gerichte den Ergebnissen eines Privatgutachtens fast schon stereotyp mit der (unausgesprochenen) Erwägung misstrauen, der Privatgutachter sei parteiisch und die von [sic!] ihm getroffenen Feststellungen seien deshalb für die Entscheidungsfindung nicht verwertbar. Das entspricht nicht dem Gesetz. Der Inhalt eines Privatgutachtens gilt zwar (nur) als Parteivortrag und hat deshalb nicht den Beweiswert eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Er unterliegt als solcher allerdings der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, die es dem Gericht grundsätzlich dennoch ermöglicht, die Ergebnisse eines Privatgutachtens seiner Entscheidung jedenfalls dann ohne die Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen zugrunde zu legen, wenn die Gegenseite keine tauglichen Einwendungen gegen die Feststellungen des Privatgutachters vorbringt. Insbesondere kann das Gericht eine nach § 287 ZPO ggf. gebotene Schadensschätzung auf die Erkenntnisse des Privatgutachters stützen. Von beiden Möglichkeiten wird in der Praxis viel zu selten Gebrauch gemacht.«

Diese von Leupertz / Hettler zutreffend geschilderte gerichtliche Handhabung ist immer noch aktuell und führt dazu, dass die Bedeutung eines Privatgutachtens für den (privaten) Bauprozess »gegen null« tendiert, weil Gerichte – auch wenn fundierte Privatgutachten vorliegen – stets selbst Sachverständigengutachten (Gerichtsgutachten) in Auftrag geben und dann vielfach auch nur diesen folgen. Eine solche gerichtliche Praxis überzeugt nicht und bedarf einer kritischen Betrachtung, wozu die folgenden Ausführungen einen Anstoß geben wollen.


Den ganzen Beitrag können Sie in der April-Ausgabe von »Der Bausachverständige« lesen.
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