Abb. 6: Rücktritt und Zurückgeben einer (unbrauchbaren) Leistung wird große Probleme bereiten

Ingo Kern


Nichts Neues bitte, läuft doch auch so

Grundlegende Praxisfragen des Bauträgervertrags – Teil 2


Der Aufklärung verpflichtet

Bauträgerverträge enthalten verschiedene Elemente, insb. kaufvertragliche hinsichtlich des Grundstückserwerbs und werkvertragliche hinsichtlich der geschuldeten Bauleistung, regelmäßig aber auch Elemente von Organisations-, Architekten- und Ingenieurleistungen. So hat die Rechtsprechung schon früh die den Vertrag bestimmenden Elemente des Werkvertrags betont und auf die Herstellungsverpflichtung hinsichtlich des Bauwerks abgestellt.

Aus dem Inhalt derartiger Verträge, aus ihrem Zweck und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie aus der Interessenlage ergibt sich daher die grundsätzliche Verpflichtung des Unternehmers, das Bauwerk mangelfrei zu erstellen. Insbesondere tragen die gesetzlichen Regelungen zum Werkvertrag den beiderseitigen Interessen deutlich besser Rechnung als das Kaufvertragsrecht. Der Vertrag enthält regelmäßig umfassende Verpflichtungen, die durch einen Festpreis abgegolten werden. Dies erspart dem Erwerber den Abschluss verschiedenster Verträge mit einer Vielzahl von Parteien.

Aus Sicht des Erwerbers bietet ein Bauträgervertrag zum einen den Vorteil, dass ein schlüsselfertiges Objekt zum Pauschalpreis errichtet wird und alle typischerweise komplizierten Aufgaben nicht mit vielen Vertragspartnern angegangen werden müssen, denn der Laie verliert den Wald vor lauter Bäumen schnell aus dem Auge. Darüber hinaus hat der Erwerber bei Mängeln nur einen Anspruchsgegner.

Der Bauträger hat für die Verpflichtungen, die er mit dem Verbraucher eingeht, einzustehen. Das ist keine Frage der persönlichen Disposition. Wenn irgendwo auf der Welt die Frage nach Verantwortung eindeutig zu beantworten ist, dann beim Pflichtenprogramm, welches der Vertrag auferlegt. Die Haftung umfasst eine Vielzahl von Tatbeständen und Rechtsfolgen, abhängig von Vertrag und Pflicht, wobei die Pflichtverletzung den zentralen Ausgangspunkt darstellt.

Grob lassen sich vorvertragliche Haftung und die für die Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten bei Vertragsdurchführung trennen, die Vertragsdurchführung wiederum in die Phasen der Erfüllung und der Mängelhaftung. Der praxisrelevanteste Bereich im Bauträgervertrag ist die Mängelhaftung für die Bauleistung.

In erster Linie bestehen zunächst die Pflichten zur Aufklärung und Beratung. Angaben und Auskünfte mussten bereits nach der bisherigen Rechtsprechung fehlerfrei und vollständig sein. Und auch bisher schon musste der Bauträger den Käufer vor enttäuschten Erwartungen schützen. Das gilt auch nach der BGB-Novelle.

Die §§ 650u Abs. 2 sowie 650j und k BGB bestimmen im Bauträgervertrag nun aber in erheblichem Umfange Informations- und Aufklärungspflichten, und zwar in doppelter Weise. Zum einen ist ein Pflichtenkatalog vorgesehen, der die Bauleistung und deren Ausführungsstandards betrifft, aber auch den Fertigstellungszeitpunkt. Im Weiteren trifft ihn das Risiko der Unvollständigkeit dahingehend, dass bei Vertragslücken ausgelegt wird und das Ergebnis viel öfter von der jeweiligen Position der Erwerber abhängt, als man wahrhaben möchte.

Im neuen Bauvertragsrecht sind die vorvertraglichen Pflichten umfassend gesetzlich konkretisiert auf eine vollständige, transparente und verlässliche Baubeschreibung. Der Bauträger hat es mit Laien zu tun und mit Baumarktstammkunden. Sie sind baukonstruktiv »unterernährt«. Wenn der Bauträger seine Informationslieferungen rationiert und nur abgenagte Auskünfte verteilt, geht das zu seinen Lasten.

Aufklärung, Sorgfalt und Schutz des Erwerbers vor Fehlvorstellungen sind die relevanten Kategorien. Er darf keine unberechtigten Erwartungen wecken und muss erforderlichenfalls Nischenjäger und Exzentriker in bautechnisch akzeptable Formen und Bahnen lenken. Besonders hervorzuheben ist die Kooperationspflicht der Parteien. Sie verlangt von ihnen, sich im Zuge der Vertragsdurchführung um die einvernehmliche Beilegung von Differenzen durch Verhandlungen zu bemühen.

Der Bauträger hat angesichts einer für ihn erkennbaren andersartigen Realität Offenbarungspflichten. Für unzureichende Angaben dürfte die sog. »Feuertreppen«-Entscheidung die bekannteste sein. Nicht aufgeklärt worden war darüber, dass im Zuge einer Altbausanierung vor einem Wohnungsfenster eine neue Feuertreppe errichtet werden würde. Ein Mangel war dies nicht, die Treppe war notwendig. Ihr Fehlen hätte einen Mangel begründet.

Die Grundsätze des Verschuldens waren aber nicht durch das Gewährleistungsrecht verdrängt. Da gärte das Unausgegorene, denn der Erwerber hatte Anspruch auf eine umfassende Aufklärung. Generell gilt zu den Offenbarungspflichten: Je eindeutiger ein Umstand objektiv relevant ist für die Entscheidung des Interessenten, desto eher ist dieser unaufgefordert aufklärungspflichtig. Und je deutlicher der Interessent (auch indirekt) zu erkennen gibt, dass ein Umstand für ihn subjektiv bedeutungsvoll ist, desto eher ist er zu offenbaren.

Für die Praxis ist hervorzuheben, dass jeder Interessent auf das Pflichtenprogramm des Bauträgers Einfluss nehmen kann: Je intensiver er nachfragt, desto mehr nimmt er ihn – im Sinne des Wortes – in die Pflicht. Hier kommt es auf die Beweisbarkeit an, der Käufer sollte also stets Zeugen zu Terminen mitnehmen. Die Vernunft allein genügt nicht, schon deshalb nicht, weil sie frei nach Schiller wie ihr Bruder, der Verstand, »stets bei wenigen nur gewesen« ist.

Erfahrungen zeigen, dass die Beziehungen im Bauträgerverhältnis häufig von Skepsis geprägt sind. Die Kunden mögen die Unternehmer, so wie man einen leeren Briefkasten mag, in dem wenigstens keine schlechten Nachrichten lauern. Man wurschtelt weiter, verrenkt sich, drückt sich vor Entscheidungen, reicht den schwarzen Peter im Kreis herum. Verunsicherung und Gereiztheit steigen täglich wie eine Fieberkurve. Umso wichtiger ist es, Sorgen, Bedürfnisse, Hoffnungen und Fragen zu klären. Wenn einer sich tot stellt, landete er unweigerlich im Magen des Gegners.


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