DER BAUSV 1/2019

Abb. 1: Fehlerstrom bei der Schutzerdung: Der Fehlerstrom fließt über den Anlagenerder und über den Betriebserder

Martin Schauer


Mythos »Erdung« in Niederspannungsanlagen


Manche falsche Fachauffassung verschwindet durch Gegenbeweis rasch von selbst, eine andere Fachmeinung übersteht Jahrzehnte, auch wenn diese sich als Irrtum entpuppt hat. Bei der Forderung nach Erdung in Gebäuden in Niederspannungssystemen scheint uns ein alter Mythos auf ewig erhalten zu bleiben. Schon den Zeitgenossen der frühen Jahre der Elektrifizierung war die Erdung ein »Heilmittel«. So geschah es 1879 beim wohl ersten dokumentierten Stromunfall, dass der Verunfallte eilig ins Freie geschleppt wurde, um ihn erfolgreich durch Einstecken der Hände in die Erde vom schädigenden Strom zu befreien [1].


Was erwarten wir heute von der Erdung?

Im Folgenden werden neben einem geschichtlichen Rückblick einzelne Regelwerke unter physikalischen Gesichtspunkten unter die Lupe genommen.


Schutzerdung (TT-System)

Die erste elektrotechnische Schutzmaßnahme um 1900 war die Schutzerdung. Dabei wurde am Transformator des Netzbetreibers (NB) ein Leiter, meist der Sternpunkt, mit dem Erdreich verbunden. Jeweils an den Gebäuden der Anschlussnehmer (AN) wurden weitere Erder installiert, mit denen die Körper der Betriebsmittel (metallische Gehäuse der Geräte) verbunden waren. Bei einem sogenannten Fehler durch Körperschluss, einer unerwünschten Verbindung zwischen einem Phasenleiter mit dem Gehäuse, kam ein Fehlerstrom zum Fließen, welchem sich folgende elektrische Widerstände »entgegenstellten« (Fehlerschleife): Erdungswiderstand RA (Anlagenerder) an der Gebäudeanlage, Erdungswiderstand RB (Betriebserder) am Transformator des Netzbetreibers, Widerstand des Außenleiters bis hin zum Körperschluss sowie der Erdungsleiter/Schutzleiter bis zum Anlagenerder, s. Abbildung 1.

Die Reihenschaltung von zwei Erdungsanlagen hatte einen hohen elektrischen Widerstand der »Fehlerschleife«, einen nur geringen Fehlerstrom und eine lange Zeitdauer bis zum Auslösen der Schmelzsicherung zur Folge. Damit lag eine erhöhte Gefährdung bei Berühren des fehlerhaften Gerätes vor, denn diese hängt nicht nur von der Höhe des durch den menschlichen Körper fließenden Stromes ab, sondern insbesondere auch von der Zeitdauer. Besonders im Sommer bei Trockenheit und im Winter bei Dauerfrost war es beinahe unmöglich, mit der Maßnahme Schutzerdung einen akzeptablen Fehlerschutz zu realisieren. Nachteilig war auch die sehr hohe Fehlerspannung, welche bei der Schutzerdung in der Praxis über 200 V betragen konnte.

Der Baurat Friedrich Richard Ulbricht machte zur Erdung bereits 1894 darauf aufmerksam, dass »ihr Schutzwert leicht ungenügend sein könnte und die Erdung dann ein falsches Gefühl der Sicherheit hervorriefe«.[2]

Erste Angaben zu den Erdungswiderständen wurden 1924 und schließlich 1932 in der Definition der Schutzerdung in den VDE-Leitsätzen 0140 festgelegt [3]. Heute wird diese Netzform als TT-System bezeichnet (im Weiteren wird nicht darauf eingegangen, dass der Begriff »Schutzerdung« neu definiert wurde).

 

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