DER BAUSV 4/2018


Walter Müller


Kehrtwendung der Rechtsprechung zu Schadenersatzansprüchen gegen Bauunternehmer und Architekten

Auswirkungen auf das Tätigkeitsfeld der Sachverständigen für Schäden an Gebäuden?


Der Bauherr eines Mehrfamilienhauses lässt rechtzeitig vor Ablauf der Gewährleistungsfrist von fünf Jahren das Wärmedämmverbundsystem (WDVS) durch einen Sachverständigen untersuchen. Der öffnet die Fassade an mehreren Stellen und kommt zu dem Ergebnis, dass der Verklebungsgrad der Platten unzureichend sei; das berge die Gefahr von Hinterfeuchtung, wodurch es zu Rissbildungen kommen könne. Der Bauherr leitet ein selbstständiges Beweisverfahren gegen den Bauunternehmer und den Architekten ein. Der gerichtliche Gutachter bestätigt das Ergebnis des Privatgutachters. Danach sollen die Kosten für Abriss, Entsorgung und Erneuerung des WDVS 150.000,00 € betragen. Die Klage des Bauherrn ist erfolgreich, denn sachverständigenseits sei ja festgestellt, dass ein Verarbeitungsfehler vorliege, für den der Bauunternehmer haften müsse.

Der Architekt hafte als Gesamtschuldner mit, denn er habe seine Bauüberwachungspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt; andernfalls hätte er gesehen, dass die Verklebung des WDVS fehlerhaft ausgeführt worden sei und wäre dagegen eingeschritten.

Die Verteidigung der Beklagten, die insbesondere einwendet, das WDVS erfülle doch seine Funktion; bauphysikalisch sei nichts zu beanstanden, auch sei noch kein einziger Riss zu erkennen, obwohl die Standzeit des Gebäudes mittlerweile acht Jahre betrage (Bauprozesse dauern häufig lange), bleibt erfolglos.

Auf die Berufung der Beklagten bestätigt das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil. Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof wird nicht eingelegt, da sich Land- und Oberlandesgericht auf dessen ständige Rechtsprechung berufen, wonach Schadenersatz für einen Baumangel in der Weise zu bemessen sei, dass der Haftende die durch Sachverständigengutachten ermittelten Kosten der Mängelbeseitigung zu tragen habe.

Am Ende des Verfahrens erhält der Bauherr somit die 150.000,00 €, kauft sich dafür einen neuen Porsche und mit den 60.000,00 €, die er als Zinsen noch obendrauf bekommt, seiner Freundin einen Diamanten. Das WDVS belässt er indes, wie es ist. Warum sollte er es auch erneuern, Risse sind ja nicht vorhanden und kein einziger Mieter hat wegen zu hoher Heizkosten die Miete gemindert; die Wärmedämmqualität wird von dem WDVS ja erfüllt.

Derartige Fälle sind von der deutschen Rechtsprechung sehenden Auges über Jahrzehnte so entschieden worden, obwohl allgemein bekannt war, dass die ausgeurteilten Beträge nur in Ausnahmefällen zur Beseitigung des Baumangels verwendet wurden. Ja, man hörte sogar von Sachverständigen, an die man sich vertrauensvoll wenden könne, um ebenfalls in den Genuss zu kommen.

Ausgerechnet einem Richter des für Bausachen zuständigen VII. Senates des Bundesgerichtshofes drängte sich dann jedoch der Gedanke auf, dass das so nicht richtig sein könne. Er untersuchte die Schadensproblematik dogmatisch und veröffentlichte im Jahre 2013 seine Überlegungen, die alsbald als »Halfmeier’sche Thesen« bekannt wurden.

Die Rechtsprechung der Instanzgerichte änderte sich jedoch nicht. Bis vor kurzem entschieden die Oberlandesgerichte auf der Basis durch Gutachten »nachgewiesener« fiktiver Mängelbeseitigungskosten unter Hinweis darauf, die Halfmeier’schen Thesen hätten sich nicht durchgesetzt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung fand nicht statt – warum auch, denn auf diese Weise ließen sich die Fälle rasch erledigen, man brauchte nur ein halbwegs überzeugendes Gutachten und konnte durchentscheiden: Der Sachverständige hatte den Mangel, seine Ursache und die Höhe der Behebungskosten ermittelt.

 

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