Peter Bleutge


Haftung für Folgeschäden aus Konstruktions- und Bauteilöffnung


Der Sachverständige ist für die ordnungsgemäße und fehlerfreie Durchführung der von ihm veranlassten Ortsbesichtigung einschließlich der Konstruktions- und Bauteilöffnung verantwortlich. Schäden, die durch die Objektsbesichtigung oder anlässlich der Ortsbesichtigung verursacht werden, führen zum Schadensersatz, wenn dem Sachverständigen insoweit eine Pflichtverletzung und Verschulden nachgewiesen werden können.

Zu diesem Themenkreis gibt es wenig Literatur und Rechtsprechung. Die nachstehende Kurzdarstellung dient der Orientierung des Sachverständigen, insbesondere bei den Vertragsverhandlungen mit seiner Berufshaftpflichtversicherung. Außer Betracht bleibt die das Objekt selbst zerstörende Öffnung, weil sie von der Einwilligung des Berechtigten abgedeckt ist und wenn sie sich im Rahmen der Einwilligung hält.


A Haftung bei Gerichtsauftrag

1. Folgende Fallgestaltungen einer Schadensverursachung durch den Sachverständigen sind denkbar:

  • Der Sachverständige stößt während seiner Arbeiten bei der Ortsbesichtigung eine wertvolle chinesische Vase um, die dadurch zerbricht und nicht mehr wiederherzustellen ist.
  • Der Sachverständige muss zur Feststellung eines Feuchtigkeitsschadens die Wand öffnen und trifft dabei die Wasserleitung, wodurch es zu einem erheblichen Wasserschaden kommt.
  • Der Sachverständige, der durch seine angestellte Hilfskraft Probebohrungen vorgenommen hat, vergisst, die Löcher im Boden abzusichern bzw. zu schließen, sodass ein unbeteiligter Dritter stürzt und sich das Bein bricht. Wer eine Gefahrenlage schafft, ist auch für deren Beseitigung verantwortlich (Verkehrssicherungspflicht).
  • Der Sachverständige beauftragt einen ungelernten Schwarzarbeiter mit der Freilegung des Mauerwerks, der dabei erhebliche, nicht notwendige Begleitschäden verursacht.
  • Der Sachverständige gibt einem von ihm beauftragten Unternehmen zum Zwecke der Bauteilöffnung fehlerhafte Anweisungen, sodass bei der Freilegung des Kellers die Abwasserrohre und Telefonleitungen beschädigt werden.
  • Der Sachverständige entfernt einen Teil der Dachziegel, um die darunterliegende angeblich fehlerhafte Dämmung zu begutachten, verschließt nach getaner Arbeit das Dach weder vollständig noch provisorisch. Es regnet, wodurch Schäden verursacht werden, sowohl beim Berechtigten als auch bei unbeteiligten Mietern. 


2. Anspruchsgrundlagen

Anspruchsgrundlagen ergeben sich in diesen Fällen aus dem Recht der Unerlaubten Handlung nach den §§ 823, 831 und 826 BGB. Vertragsansprüche kommen nicht in Betracht, weil der vom Gericht beauftragte Sachverständige mit den derart Geschädigten keine vertraglichen Beziehungen hat. Ebenso wenig kommt § 839a BGB (Haftung für ein unrichtiges Gutachten und darauf beruhendes Urteil) in Betracht, weil von dieser Anspruchsgrundlage nur die Fehler im Gutachten, nicht aber Pflichtverletzungen bei der Vorbereitung des Gutachtens erfasst werden.

Zusätzlich haftet der Sachverständige für die zugezogene Hilfskraft (Unternehmen, Handwerker) im Rahmen des § 831 BGB, wenn er eine fehlerhafte Auswahl getroffen oder fehlerhafte Anweisungen gegeben hat (Auswahlverschulden). Muss der Sachverständige für pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der von ihm beauftragten Drittfirma haften, kann er bei derselben Regress nehmen, weil er ja mit ihr einen Werkvertrag geschlossen hat.


3. Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen

Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen (z.B. auf einfache Fahrlässigkeit oder auf Haftungshöchstgrenzen) sind grundsätzlich nicht möglich, weil bei Gerichtsauftrag keine Verträge geschlossen werden. Die Durchführung der Orts- und Objektbesichtigung beruht mithin nicht auf vertraglicher Rechtsgrundlage, sondern auf einer Auftragserteilung durch das Gericht. Lediglich dann, wenn der Sachverständige mit der berechtigten Prozesspartei oder Berechtigten die unbedingt erforderliche Einwilligung zur Konstruktions- oder Bauteilöffnung vereinbart, könnte gleichzeitig auch eine Haftungsbeschränkung vereinbart werden, die sich aber nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit erstrecken darf (gewagte eigene Rechtsauffassung).

Lehnt der Berechtigte die Art und Weise, insbesondere den Umfang der Öffnung, ab oder verweigert eine Haftungsbeschränkung auf leichte Fahrlässigkeit, kann die Objektsbesichtigung wegen Verweigerung nicht durchgeführt werden. Der Sachverständige muss dann den Auftrag an das Gericht zurückgeben, die beweisbelastete Partei bleibt damit beweisfällig und wird den Rechtsstreit insoweit ggf. verlieren. Aus diesem Grund sollte der Sachverständige zunächst versuchen, dass die Öffnung durch eine von der Prozesspartei beauftragte Person – unter seiner Anweisung und Aufsicht – durchgeführt wird.


4. Voraussetzungen der Haftung 

Haftungsvoraussetzungen in den Fällen des § 823 Abs. 1 BGB sind die Verletzung eines absoluten Rechtsguts (Eigentum, körperliche Unversehrtheit, nicht aber das Vermögen) und nach § 823 Abs. 2 BGB der Verstoß gegen ein Schutzgesetz. Beide Anspruchsgrundlagen verlangen als Anspruchsvoraussetzung Verschulden (Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit und einfache Fahrlässigkeit). § 826 BGB verlangt als Verschulden Vorsatz oder bedingten Vorsatz, sodass ein leichtfertiges und gewissenloses Fehlverhalten ausreicht, um eine Haftung zu begründen.


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