Eva-Martina Meyer-Postelt


Gerichtliche Anweisung zur Bauteilöffnung – ja oder nein?

Sachverständigenrecht | Zur Frage der Anweisung an den gerichtlich bestellten Sachverständigen, eine Bauteilöffnung vorzunehmen


Zum Sachverhalt

Die Klägerin nimmt den beklagten Wohngebäudeversicherer in Zusammenhang mit einem Gebäudeschaden auf Versicherungsleistungen in Anspruch, nachdem es am versicherten Gebäude zu einem Hochwasserschaden gekommen ist. Streitig ist, ob das Haus durch den Wassereintritt am Fundament zerstört ist. Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens die Klage weitgehend abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird vom OLG zurückgewiesen. Allerdings lässt das OLG die Revision zu. Diese hat aber auch beim BGH keinen Erfolg.

Dort geht es u.a. noch darum, dass die vom Landgericht beauftragte Sachverständige eine Bauteilöffnung für erforderlich erachtet hat, diese aber unterblieben ist, weil die Klägerin keine Bauteilöffnung vorgenommen hat und das Landgericht sowie auch das OLG keine dahingehende Weisung an die Sachverständige erteilt haben.


Aus den Gründen

Die Revision hat keinen Erfolg. Rechtsfehlerfrei hat das OLG die Klägerin als beweisfällig angesehen, nachdem diese die für eine weitergehende Begutachtung durch die Sachverständige notwendige Bauteilöffnung nicht vorgenommen hat; revisionsrechtlich unbedenklich hat es insoweit davon abgesehen, die Sachverständige zur Vornahme der Bauteilöffnung anzuweisen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen bestehen nicht.

Keinen Bedenken begegnen insbesondere die vom OLG gebilligten Feststellungen des Landgerichts zu der von der Sachverständigen für eine eingehende Untersuchung des Fundaments für erforderlich erachteten, tatsächlich aber nicht durchgeführten Bauteilöffnung. Entgegen der Auffassung der Revision waren die Vorinstanzen auch im Rahmen eines ihnen nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO etwa eingeräumten Ermessens nicht zu einer entsprechenden Weisung an die Sachverständige verpflichtet.

Allerdings hat das Gericht gemäß § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO von Amts wegen die Pflicht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und ihm in diesem Rahmen ggfs. für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen zu erteilen. Damit ist klargestellt, dass der Gutachter Gehilfe des Gerichts ist und ihm vom Gericht vorgegeben werden kann, was rechtlich bedeutsam ist. Das gerichtliche Weisungsrecht umfasst damit neben den inhaltlichen Vorgaben, die der Sachverständige seiner Begutachtung zugrunde zu legen hat, grundsätzlich auch die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlichen Maßnahmen, die der Begutachtung selbst oder deren Vorbereitung dienen und der Sachkunde des gerichtlich bestellten Gutachters bedürfen, sowie Weisungen zur Art und Weise des bei der Untersuchung des Beweisgegenstands gebotenen Vorgehens.

Ob dieses grundsätzliche Weisungsrecht des Gerichts danach auch die Befugnis umfasst, einen Sachverständigen speziell zur Vornahme einer Bauteilöffnung anzuweisen, soweit diese für die Begutachtung erforderlich ist, kann im Streitfall allerdings offenbleiben. Denn selbst wenn man dieses annimmt, so ist die von Amts wegen zu treffende Entscheidung darüber, ob das Gericht dem Sachverständigen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Weisung gemäß § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO zur Durchführung einer für die Begutachtung erforderlichen Maßnahme – hier die einer Bauteilöffnung – erteilt, dann jedenfalls in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt.

Ein ihm etwa zustehendes Ermessen aber hat das OLG mit der Ablehnung, im Streitfall eine Weisung an die Sachverständige zu erteilen, jedenfalls rechtsfehlerfrei ausgeübt. Dabei ist die Handhabung des nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO eingeräumten Ermessens im Revisionsverfahren nur da­raufhin überprüfbar, ob das Gericht die Notwendigkeit zur Ausübung seines Ermessens verkannt oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Derartige Ermessensfehler liegen im Streitfall nicht vor.

Das OLG hat entgegen dem Vorbringen der Revision erkannt, dass die Erteilung einer Weisung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den Interessen der beweispflichtigen Partei und den mit einer Durchführung des Gutachtenauftrags für den Sachverständigen verbundenen Anforderungen voraussetzt und hierbei den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit einzelfallbezogen Rechnung zu tragen ist. Bei seiner Ermessensentscheidung kann das Gericht den möglichen Erkenntniswert und die Verhältnismäßigkeit einer Weisung, aber auch berechtigte Belange des Sachverständigen oder Dritter berücksichtigen.

Dass es im Streitfall den mit der Bauteilöffnung des Hausfundaments verbundenen besonderen Gefahren und daraus resultierenden Haftungsrisiken für die Sachverständige ausschlaggebendes Gewicht gegen die Erteilung einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO beigemessen hat, hält sich im Rahmen des ihm etwa eingeräumten Ermessens.

Unbeschadet der Frage, welche Haftungsrisiken generell für einen Bausachverständigen bei der Durchführung einer Bauteilöffnung bestehen und wieweit er sich dagegen versichern kann, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das OLG im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls entscheidend auf hier vorliegende besondere Risiken abgestellt hat, die sich nach seinen aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen daraus ergeben, dass die nicht zerstörungsfreie Untersuchung des Hausfundaments die Gefahr einer Beschädigung der Horizontal- oder Vertikalsperre birgt und die Sachverständige dies trotz ihrer Sachkunde und auch bei sorgfältiger Überwachung hinzugezogener Fachunternehmen nicht verhindern kann.

Das Gericht braucht einen Sachverständigen nicht zu einer Bauteilöffnung unter Eingehung unkalkulierbarer (Haftungs-)Risiken anzuweisen. Auf der anderen Seite hat das OLG rechtsfehlerfrei berücksichtigt, dass das Unterbleiben einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO die Klägerin nicht von vornherein in Beweisnot bringt, da sie unter den Umständen des Streitfalls die Öffnung des Fundaments selbst hätte veranlassen können.


Anmerkung

Bauteilöffnung – kein Ende in Sicht? Ob das grundsätzliche Weisungsrecht des Gerichts auch die Befugnis umfasst, einen Sachverständigen speziell zur Vornahme einer Bauteilöffnung anzuweisen, soweit diese für die Begutachtung erforderlich ist, besteht kein Einvernehmen zwischen den OLGs. Teils wird das bejaht, teils verneint. Nun hat im letzten Jahr der BGH bereits entschieden, dass das Gericht – vor einer Beweislastentscheidung – immer zu klären hat, ob nicht auch ohne Bauteilöffnung ausreichende Feststellungen möglich sind. Diese Klärung erfolgt in der Regel nach Anhörung des Sachverständigen, gerade auch dann, wenn dieser selbst keine Öffnung eigenverantwortlich durchführen will. Des Weiteren hat der BGH in diesem Jahr entschieden, dass die gerichtliche Ablehnung einer Weisung zur Bauteilöffnung an den Sachverständigen nicht selbstständig anfechtbar ist durch die Parteien.

EMMP


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