Abb. 1: Dachfläche ohne geplantes Gefälle mit großflächigen Wasseransammlungen infolge von Durchbiegungen (© BMI Group)

Christian Herold


Gefälle bei der Abdichtung von Flachdächern

Orientierung in einer vielstimmigen Debatte


1 Grundsätzliche Vorbemerkungen und Einordnung
 

Das Thema Gefälle bei der Abdichtung von Dächern führt immer wieder zu Diskussionen in der Fachöffentlichkeit und beschäftigt vielfach auch die Gerichte. Viele Gutachten, Veröffentlichungen und Urteile sind hierzu in den letzten Jahren ergangen. Sie haben letztlich nicht zu einem einheitlichen Umgang mit diesem Thema geführt, das nicht an Aktualität und offenbar auch nicht an Streitpotential eingebüßt hat, nicht zuletzt auch ausgelöst durch die Veröffentlichung von ZÖLLER [1].

Insbesondere aber auch durch die Erhebung zu einem Streitfall im Themenschwerpunkt »Pro und Kontra« der diesjährigen Aachener Bausachverständigentage am 20.04.2021 [2, 3, 4, 5] hat dieses Thema eine Bedeutung erlangt, die ihm im Hinblick auf die dazu bestehenden normativen Regelungen eigentlich nicht zukommt.

Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Beratungen zu diesem Thema im Normenausschuss zur DIN 18531 für die Abdichtung von Dächern [6] wurde der Stein wohl auch kalkuliert ins Wasser geworfen. So fühlen sich mittlerweile viele über den Kreis der eigentlich direkt dafür zuständigen Techniker hinaus, insbesondere auch Verbraucherschützer und Juristen, berufen, zu diesem Thema Meinungen, Interpretationen, Erwartungen zu äußern und Forderungen zu erheben, was denn die notwendigen Aussagen der DIN 18531 zum Gefälle sein müssten.

Die Abhandlung des Themas Gefälle in einem »Pro und Kontra« geht jedoch grundsätzlich in die falsche Richtung. Diese unnötige Gegeneinanderstellung hat die Vielstimmigkeit der derzeitigen Diskussion geradezu provoziert und die eigentliche Frage nach der richtigen Anwendung des Planungsinstruments »Gefälle« eher verschleiert, als Klarheit zu schaffen. Die Diskussion gerät vollends in eine Schieflage, wenn in [1] in Bezug auf die Abdichtungsnormung generell und insbesondere in Bezug auf das Gefälle bei Dachabdichtungen populistisch von »genormten Mythen« geredet wird, die angeblich »religiöse Züge angenommen hätten«. Hiermit wird in wenig verantwortlicher Weise Unsicherheit in Bezug auf den Stellenwert von DIN-Normen und deren Bedeutung bei den werkvertraglichen Vereinbarungen von Bauleistungen erzeugt. 

Was in Aachen mit »Pro und Kontra« Gefälle als Klärungsprozess angekündigt wurde, hat eher zu weiteren Unklarheiten und Verunsicherungen bei Planern und Ausführenden geführt. Mittlerweile ist eine Orientierung in diesen von ganz unterschiedlichen Interessen geprägten Stellungnahmen nur noch schwer möglich. Es ist nicht gelungen, die verschiedenen Meinungen hierüber einer schlüssigen Lösung zuzuführen. Eine ausgewogene Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte, die hierzu in Fachkreisen vertreten werden, fand nicht statt. Ebenso wenig wurden die bestehenden technischen Regelungen zum Gefälle in der aktuellen DIN 18531 [6], ihre Begründung und die Konsequenzen für die Planung und die Ausführung der Abdichtung von Dächern so dargestellt, wie es zu deren Verständnis nötig gewesen wäre. 

Es ist Zeit, diese überhitzte und z.T. fast schon ideologisch und mit populistischen Argumenten geführte Debatte zu objektivieren und auf das Wesentliche zurückzuführen. Dabei geht es auch um die Aufgabe von DIN-Normen, hier der Norm für die Abdichtung von Dächern, der DIN 18531 [6] und ihre Bedeutung im Werkvertragsrecht. Vor allem aber geht es nicht darum, ob ein Gefälle bei Dachabdichtungen gut oder schlecht ist, sondern wie man mit dem Planungsinstrument Gefälle so umgeht, dass sowohl mit als auch ohne Gefälle die erforderliche Zuverlässigkeit eines abgedichteten Daches erreicht wird. 

Als langjähriger Mitarbeiter in den Normenausschüssen für die Abdichtung von Bauwerken habe ich auch an den Beratungen zu den Regelungen in DIN 18531 zum Gefälle teilgenommen, sie letztlich mitverfasst und so auch mitverantwortet. Ich weiß daher sehr genau, was damit bezweckt werden sollte. Als Sachverständiger kenne ich aber auch die offensichtlichen Schwierigkeiten von vielen Fachleuten und auch von Kollegen, die geltenden Regelungen so zu verstehen und sie so anzuwenden, wie sie tatsächlich gemeint sind.

Es kommt hierbei immer wieder zu sehr unterschiedlichen und sich widersprechenden Auslegungen. Dies ist möglicherweise auch auf unklare Formulierungen in der Norm zurückzuführen. Das müssen wir uns als Normenentwickler dann wohl auch vorhalten lassen. Dies wird in Bezug auf die Gefälleregelungen wohl auch zu entsprechenden Klarstellungen und ggf. auch zu Erläuterungen bei der derzeit laufenden turnusmäßigen Überarbeitung / Aktualisierung der DIN 18531 führen.

Ich möchte daher in diesem Beitrag versuchen, mehr Informationen zur Verfügung zu stellen, worauf es bei der Planung und Ausführung von Gefälle ankommt, was tatsächlich technisch gefordert wird und vor allem, wie es technisch begründet ist. Damit soll vor allem Planern und Ausführenden mehr Orientierung und Sicherheit bei der richtigen Anwendung der Regelungen in DIN 18531 zum Gefälle gegeben werden. 

Um es vorweg zu sagen: Die Planung eines Gefälles wird zwar in der DIN 18531 mit Priorität empfohlen, aber auch die Planung ohne Gefälle ist nach den in der Norm dafür geltenden Regelungen genauso möglich. Sie ist grundsätzlich kein Fehler, mit dem ein Mangel begründet werden kann.


2 Grundsätzliches zur Bedeutung von DIN-Normen im Hinblick auf die anerkannten Regeln der Technik

In der unter [1] genannten Veröffentlichung und auch in anderen Veröffentlichungen von ZÖLLER zu den Abdichtungsnormen werden immer wieder die Bedeutung und die Rolle der DIN-Normen für Abdichtungen im technischen und rechtlichen (werkvertraglichen) Zusammenhang hinterfragt und es werden Zweifel an ihrer Richtigkeit, ihrer Widerspruchsfreiheit, aber auch an der Verlässlichkeit ihres Zustandekommens unter repräsentativer Beteiligung der Fachkreise geäußert.

In diesem Zusammenhang wird auch versucht, die inhaltlich klar auf drei Ebenen definierte Technikklausel »anerkannte Regel der Technik« (a.R.d.T), theoretische Richtigkeit, weitestgehende Bekanntheit, praktische Bewährung, infrage zu stellen und umzuinterpretieren, da dieser Begriff angeblich nicht mehr »zeitgemäß« ist [7]. Es ist hier nicht die Stelle, um sich mit den dort geäußerten und nach meiner Auffassung z.T. widersprüchlichen und auch falschen Argumenten und Schlussfolgerungen auseinanderzusetzen.

Der auch im vertragsrechtlichen Zusammenhang verwendete Begriff a.R.d.T. ist hingegen seit Jahrzehnten eine wesentliche Grundlage für die Planung von Bauwerken. Deren Einhaltung wird in §13.1 VOB/B gefordert und wird auch im Werkvertrag nach §631 ff BGB für den Werkerfolg vorausausgesetzt. Dies insbesondere auch deshalb, weil sich der tatsächliche Werkerfolg erst mit dem Erreichen der als üblich zu erwartenden Lebensdauer zeigt, die weit über den Gewährleis­tungszeitraum hinausgeht.

Wenn es den Begriff der »anerkannten Regel der Technik« und seine inhaltliche Bedeutung nicht gäbe, müsste man ihn geradezu erfinden. Für Planer und Ausführende ist es essenziell, dass sie davon ausgehen können, dass DIN-Normen auch aus der Sicht der Rechtsprechung die (widerlegbare) Vermutung für sich haben, als a.R.d.T. zu gelten. Damit kann der Anwender einer Norm weitgehend sicher sein, dass sich bei ihrer Einhaltung auch der Werkerfolg einstellt.

Es gilt somit die Beweislastumkehr: Es muss nachgewiesen werden, dass es sich bei einer angewandten Regel einer DIN-Norm nicht um eine a.R.d.T. handelt. Es ist m.E. unverantwortlich, diesen wichtigen Grundsatz infrage zu stellen und den Anwender einer Norm auf die eigene Überprüfung der Richtigkeit von in einer Norm geregelten Produkten und Bauarten im Sinne der Definition der a.R.d.T. zu verpflichten. Dazu ist er, insbesondere was die Feststellung einer breiten Anerkennung und die Bewährung einer Bauart betrifft, objektiv in den allermeisten Fällen gar nicht in der Lage.

Dem widerspricht nicht die Prüfungspflicht des Anwenders auf offensichtliche Fehler, die auch in einer DIN-Norm enthalten sein können, oder auf eine erkennbar nicht mehr gegebene Aktualität oder auf die Widersprüchlichkeit zu eigenen Erfahrungen. Durch diese Relativierung der Norm als a.R.d.T. wird eine erhebliche Verunsicherung bei Planern und Ausführenden ausgelöst. Viele sehen dadurch ihr Vertrauen in eine der wichtigsten technischen Arbeitsgrundlagen untergraben, ohne dass gesagt wird, was an die Stelle von DIN-Normen als a.R.d.T. denn treten soll.


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