Eva-Martina Meyer-Postelt


Ergänzungsgutachten oder mündliche Anhörung?


Das rechtliche Gehör wird auch dann noch gewährleistet, wenn die mündliche Anhörung des Sachverständigen aufgehoben und stattdessen die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens angeordnet wird.

OLG Köln, Beschluss vom 14.2.2019 – 11 W 8/19


Zum Sachverhalt

Ein Baumängelstreit vor dem Landgericht eskaliert in einem Zwischenstreit um die Anhörung des Sachverständigen. Dieser hat ein Gutachten erstellt, zu dem die Parteien Stellung nehmen können. Auf Antrag der Klägerin terminiert das Landgericht die mündliche Anhörung des Sachverständigen. Zur Vorbereitung des Anhörungstermins legt die Klägerin dem Gericht einen umfangreichen Katalog mit Fragen vor, die sie dem Sachverständigen stellen will.

Das Landgericht hebt den mündlichen Anhörungstermin daraufhin auf und beschließt, beim Sachverständigen auf der Grundlage des Fragenkatalogs ein schriftliches Ergänzungsgutachten in Auftrag zu geben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit einer sofortigen Beschwerde, weil sie an der mündlichen Anhörung festhalten will. Ohne Erfolg.


Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Soweit die Klägerin beanstandet, dass das Landgericht ihrem Antrag auf mündliche Befragung des Sachverständigen nicht entsprochen hat, sondern die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen angeordnet hat, ist ihr Rechtsmittel zulässig, aber unbegründet. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Anordnung der einen oder anderen Art der Beweisaufnahme ist zwar grundsätzlich nach § 355 Abs. 2 ZPO unanfechtbar. Das gilt allerdings nicht, wenn der Antrag einer Partei auf mündliche Anhörung eines Sachverständigen zurückgewiesen wird, weil dadurch ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein kann. Einen solchen Verstoß macht die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde geltend. In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.

Indem das Landgericht – abweichend vom Antrag der Klägerin – zunächst die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens angeordnet hat, hat es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Jede Prozesspartei hat gemäß §§ 397, 402 ZPO zur Gewährleistung ihres rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf, dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorzulegen.

Zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs gehört es, dass die Parteien dem Sachverständigen Fragen stellen, ihre Bedenken vortragen und um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten können. Das Landgericht hat der Klägerin dieses Recht nicht versagt. Es hat ihren Antrag auf mündliche Befragung des Sachverständigen nicht übergangen, sondern auf diesen reagiert, indem es sich im Hinblick auf die umfänglichen Einwendungen der Klägerin zunächst für die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens entschieden hat.

Eine solche Reaktion stellt eine zulässige Verfahrensweise dar. Dass das Landgericht von der beantragten Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seiner Gutachten absehen wird, wenn nach ergänzender schriftlicher Begutachtung aus Sicht der Klägerin noch Fragen offenbleiben oder sie weiterhin Bedenken gegen die gutachterlichen Feststellungen hegt, lässt sich dem angefochtenen Beschluss nicht entnehmen.


Anmerkung

Anstelle einer detaillierten Fragenliste ist es den Parteien auch gestattet, lediglich Themenblöcke für die mündliche Anhörung zu benennen. Denn es genügt – nach der Rechtsprechung des BGH – wenn sich die Parteien im Zusammenhang ihres Antrags auf mündliche Anhörung des Sachverständigen darauf beschränken kundzutun, worüber sie eine weitere Aufklärung des Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Anhörung herbeiführen wollen.

Kommt es einer Partei darauf an, den Sachverständigen z.B. deshalb mündlich zu befragen, um sich im Rahmen dieser Anhörung auch einen Eindruck davon zu verschaffen, wie routiniert und fachlich »sattelfest« der Sachverständige auf Fragen antworten kann, auf die er sich nicht konkret vorbereiten konnte, sollte sie vor der mündlichen Anhörung keinen detaillierten Fragenkatalog bei Gericht einreichen, sondern sich auf die Angabe von Themenkomplexen beschränken. Die Anordnung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens durch das Gericht macht dann nämlich keinen Sinn.

Wird der Sachverständige in dem Fall dann bei seiner mündlichen Anhörung mit einer Frage konfrontiert, die er nicht spontan beantworten kann, sollte er das auch gar nicht erst versuchen. Es ist kein Makel, wenn der Sachverständige sachlich begründen kann, warum er die konkrete Frage nicht spontan beantworten kann oder möchte. Er sollte in dem Fall aber dem Gericht und den Beteiligten eine Perspektive aufzeigen, bis wann er diese Frage im Nachgang schriftlich beantworten kann.

Bewegt sich die konkrete Frage dagegen schon erkennbar außerhalb seines Fachgebiets bzw. außerhalb seiner Bestellung, sollte der Sachverständige darauf sofort in der mündlichen Anhörung hinweisen. Eine solche Vorgehensweise spricht für eine souveräne Haltung, die durchaus geeignet sein kann, Vertrauen in die Ausführungen des Sachverständigen im Übrigen zu schaffen.

EMMP

Weitere Urteile finden Sie in der Februar-Ausgabe von »Der Bausachverständige«.
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