DER BAUSV 5/2019


Christian Herold


Erdberührte Außenwandabdichtungen aus PMBC auf WU-Beton-Bodenplatten

Kritische Stellungnahme zu einem problematischen Gerichtsurteil


1 Anlass

Das OLG Hamm hat am 14.8.2019 unter dem Aktenzeichen 12 U 73/18 in zweiter Instanz wie folgt geurteilt:

»1. Die Außenwandabdichtung mittels Kombinationslösung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung entspricht für den Lastfall aufstauendes Sickerwasser – trotz Konformität mit den Regelungen der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik.

2. Die von den Regelungen der vorgenannten DIN ausgehende Vermutungswirkung sieht der Senat – insbesondere aufgrund der Vielzahl an aufgetretenen Schadensfällen – als widerlegt an.«

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, sodass die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt.


2 Sachverhalt

Die Abdichtung der gemauerten Außenwände einer Doppelhaushälfte gegen aufstauendes Sickerwasser (≤ 3 mWS) im Erdreich wurden im Jahr 2012 mit einer kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung (KMB) in Verbindung mit einer wasserundurchlässigen (WU) Betonbodenplatte geplant. Das ist eine Abdichtungsbauweise, bei der die vertikale Wandabdichtung aus KMB mit einem adhäsiven, unterlaufsicheren Übergang auf die Stirnseite der WU-Betonbodenplatte ausgeführt wird. Im technischen Sprachgebrauch wird diese Bauweise auch als »Kombinationsabdichtung« bezeichnet.

Maßgebend für die Planung und Ausführung waren zum damaligen Zeitpunkt die DIN 18195-6:2011-12 und DIN 18195-9:2010-05. In den Normen wurde für diesen Übergang ein bauaufsichtlicher Verwendbarkeitsnachweis für das anzuwendende KMB-Produkt in Form eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses (abP) nach den PG-ÜBB gefordert.

Knapp ein Jahr nach Fertigstellung des Gebäudes kam es zu Feuchteschäden am Fußpunkt der Kelleraußenwand. Der vom Gericht in einem Beweissicherungsverfahren beauftragte Sachverständige bewertete die ausgeführte Bauweise für den Lastfall »aufstauendes Sickerwasser« im Jahr 2016 unter Berufung auf eine Umfrage unter Sachverständigen aus dem Jahr 2009 als nicht den »anerkannten Regeln der Technik« (a.R.d.T.) entsprechend.

Der Sachverständige hatte nach einer Öffnung im Bereich des Arbeitsraums vor der Außenwand an einer Stelle eine Trockenschichtdicke der KMB-Abdichtung von 3,5 mm gemessen und dies als regelkonform bezeichnet. Mängel an der KMB-Abdichtung der Außenwand wurden von ihm nicht festgestellt. Der Sachverständige ist nicht, wie im erstinstanzlichen Beweissicherungsverfahren gefordert, den tatsächlichen Ursachen der aufgetretenen Feuchteschäden an der Kelleraußenwand und der Bodenplatte nachgegangen. Er hat nicht überprüft, ob das verwendete Produkt überhaupt regelgerecht nach DIN 18195 ausgeführt wurde, also

  • „„ob es über ein abP verfügte, in dem die Ausführung des Übergangs geregelt war,
  • „„ob im Übergangsbereich eine entsprechende Vorbereitung und Behandlung des Betonuntergrunds mit der geforderten Überdeckung durch die PMBC von mindestens 15 cm ausgeführt wurde,
  • „„ob die Mindesttrockenschichtdicke von 4 mm unter Verwendung einer Verstärkungseinlage überall eingehalten wurde (gemessen wurden an einer Stelle 3,5 mm) und ob die dazu erforderliche Auftragsmenge pro m2 aufgebracht wurde,
  • „„ob die in der Norm geforderten Kontrollprüfungen im Übergangsbereich während und nach der Verarbeitung durchgeführt und protokolliert wurden.

Anhand solcher Feststellungen hätte sich möglicherweise die tatsächliche Ursache für die Feuchteschäden ermitteln lassen. Der Sachverständige hat allein aus dem Umstand, dass die Planung mit einer seiner Meinung nach nicht den a.R.d.T. entsprechenden Abdichtungsbauweise ausgeführt wurde, einen Mangel konstruiert und in unzulässiger Weise ungeprüft allein daraus die Ursache für die Feuchteschäden abgeleitet.

Obwohl seitens der Beklagten weitere Gutachten vorgelegt wurden, in denen die unzulänglichen Feststellungen des Gerichtssachverständigen festgestellt und analysiert wurden und dessen unbewiesene Schlussfolgerung, dass diese Bauweise nicht als den a.R.d.T. entsprechend anzusehen sei, plausibel widerlegt wurde, hat sich das OLG in seinem Urteil vollumfänglich den fehlerhaften Bewertungen des Gerichtssachverständigen angeschlossen.

Auch die dem Gericht vorgelegten Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des AiBau aus dem Jahr 2018 – in einem weiter gefassten Fachkreis, der neben Sachverständigen auch Planer, Hersteller, Ausführende und das DIBt als bauaufsichtliche Behörde umfasste und der zu einem gegenteiligen Ergebnis kam, nämlich dass diese Bauweise den a.R.d.T. entspricht und festgestellte Schäden in überwiegender Zahl auf Ausführungsfehler und mangelnde Kontrolle bei der Verarbeitung zurückzuführen sind, – fanden keine Berücksichtigung durch das OLG Hamm.

So wurde ein für die Abdichtungstechnik in seiner Auswirkung über den Einzelfall weit hinausgehendes problematisches Urteil gefällt. Das Urteil wird, wenn es denn so bestehen bleibt und rechtskräftig wird, massive Auswirkungen auf eine seit mehr als 20 Jahren weit verbreitete und in vielen tausenden Fällen mit Erfolg angewendete Abdichtungsbauweise haben, wenn diese ohne stichhaltigen Nachweis der Untauglichkeit trotz der seit vielen Jahren hierzu bestehenden unwidersprochenen Regelungen nicht mehr angewendet werden darf.

Das Urteil und seine Begründung werden daher im Folgenden hinterfragt und kritisch bewertet.


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