DER BAUSV 3/2019


Volker Schlehe


Die Leistungsbilder der privaten Sachverständigentätigkeit

Welche Bezeichnungen empfehlen sich beim Privatauftrag?

 
Der nachfolgende Beitrag basiert auf einem Vortrag, den der Verfasser beim Stuttgarter Bausachverständigentag am 11.02.2019 gehalten hat.


Einleitung

Sachverständigenleistungen außerhalb von Gerichtsverfahren werden allgemein als Privatauftrag bezeichnet. Beim Privatauftrag können Sachverständige mit ihren Auftraggebern nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit Art und Umfang der zu erbringenden Sachverständigenleistung weitgehend frei vereinbaren.

Die Auswahl der passenden Produktbezeichnung sollte anschließend mit Blick auf den genauen Inhalt der Leistung und mit Augenmaß vorgenommen werden, da mit den verschiedenen Produktbezeichnungen bestimmte Erwartungshaltungen beim Leser verbunden sind. Ausgangspunkt für die Auftragsdefinition sind dabei meistens die beiden klassischen Leistungsbilder der Sachverständigentätigkeit, nämlich das Gutachten einerseits und die Beratung andererseits. Diese beiden Produkte unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich Inhalt und Form, sondern sie unterliegen auch anderen Rechtsregeln, z.B. hinsichtlich »Gewährleistung« und Haftung.

Der Markt fordert von den Sachverständigen nicht selten, beide Leistungsbilder gleichzeitig zu erbringen oder eine Modifizierung des Produkts Gutachten, insbesondere um Zeit und Kosten einzusparen. In der Praxis werden deshalb eine Vielzahl von weiteren Produktbezeichnungen für Sachverständigenleistungen verwendet. Zu nennen sind hier Berichte und Protokolle, Formulargutachten, Kurzgutachten, gutachterliche Stellungnahmen, Schätzungen, Schiedsgutachten, Zertifikate und Konformitätsbestätigungen. Die Analyse ergibt, dass die Bezeichnungen nicht einheitlich verwendet werden und in Fachkreisen oftmals über die »richtige« Bezeichnung intensiv diskutiert wird.

Im Folgenden werden die wichtigsten Leistungsbilder der privaten Sachverständigentätigkeit im Bau- und Immobilienbereich und die damit verbundenen Anforderungen dargestellt.


Rechtliche Rahmenbedingungen der Sachverständigentätigkeit

In Deutschland gibt es kein Sachverständigengesetz, in dem das Aufgabenspektrum der Sachverständigentätigkeit geregelt ist. Lediglich in den Haushaltsordnungen von Bund und Ländern findet sich in den Verwaltungsvorschriften teilweise eine Definition, die allerdings nicht allgemein verbindlich ist. Sachverständigenleistungen sind danach »entgeltliche Leistungen auf vertraglicher Basis, die dem Ziel dienen, im Hinblick auf konkrete Entscheidungssituationen des Auftraggebers praxisorientierte Handlungsempfehlungen zu entwickeln und zu bewerten, den Entscheidungsträgern zu vermitteln und ggf. ihre Umsetzung zu begleiten. Dazu zählen insbesondere Gutachten, Evaluierungen und prozessbegleitende Beratungen« (vgl. z.B. Anlage zu VV Nr. 1.3 zu § 55 LHO Niedersachsen).

Für die nach § 36 GewO öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ist das Aufgabenspektrum in den Sachverständigenordnungen der Bestellungskörperschaften definiert. Danach gehören neben der Erstattung von Gutachten auch andere Leistungen wie Beratungen, Überwachungen, Prüfungen und die Erteilung von Bescheinigungen sowie schiedsgutachterliche und schiedsrichterliche Tätigkeiten zu den Aufgaben eines Sachverständigen (vgl. § 2 Abs. 2 MSVO des DIHK). Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend.

Nicht zu den Sachverständigenleistungen gehören nach allgemeiner Meinung originäre Planungsaufgaben beispielweise von Architekten oder Ingenieuren, weil diese typischen Berufsaufgaben spezialgesetzlich geregelt sind. Die Neuplanung eines Gebäudes ist deshalb keine Sachverständigenaufgabe. Dagegen können Bausachverständige durchaus mit der Überprüfung von Bauplänen auf Vollständigkeit und Richtigkeit oder dem Vorschlag für eine Sanierung einschließlich des Kostenaufwands beauftragt werden.

Einige Aufgaben dürfen aufgrund gesetzlicher Regelungen lediglich von bestimmten Personen mit genau definierten Qualifikationen ausgeführt werden (sogenannte Vorbehaltsaufgaben). Im Baubereich sind bestimmte Prüf- und Überwachungsaufgaben den Prüfingenieuren vorbehalten. Beispielsweise ist die Ausstellung von Energieausweisen für bestehende Gebäude nach § 21 Energieeinsparverordnung oder die Überprüfung von Biogasanlagen nach der Betriebssicherheitsverordnung den dort genannten Personen mit bestimmten Qualifizierungen vorbehalten. Auch Gutachten zur Begründung für ein Mieterhöhungsverlangen bei Wohnraum haben nach § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB nur dann Beweiswert, wenn sie von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erstellt worden sind.

Grundsätzlich nicht zu den Sachverständigentätigkeiten gehört die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, also die rechtliche Bewertung eines Sachverhalts oder die Entscheidung von Rechtsfragen im konkreten Einzelfall. Lediglich Nebenleistungen zu einer Hauptleistung nach § 5 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz, d.h. Rechtsbesorgungen von untergeordneter Bedeutung, dürfen im Zusammenhang mit einer Sachverständigenleistung erbracht werden. Beispielsweise dürfen Sachverständige im Zusammenhang mit der Feststellung eines Gebäudeschadens nach einem Wasserrohrbruch die Abwicklung des Schadensfalls mit der Gebäudeversicherung für ihre Auftraggeber als sogenannte Nebenleistung übernehmen.

Selbstverständlich sind alle Sachverständigen zur unabhängigen, unparteilichen, weisungsfreien, gewissenhaften und persönlichen Aufgabenerfüllung verpflichtet. Für auf der Grundlage der DIN/EN 17024 zertifizierte Sachverständige bestehen ähnliche Pflichten, die privatrechtlich in dem jeweiligen Verhaltenskodex der Zertifizierungsstelle geregelt sind. Öffentlich bestellte Sachverständige müssen sogar zusätzlich einen Eid auf die Einhaltung dieser Pflichten schwören, § 36 Abs. 1 S. 2 GewO. Rechtlich nicht erlaubt und sittenwidrig sind sogenannte Gefälligkeitsgutachten. Hierunter werden Ausarbeitungen verstanden, die bewusst einseitig für einen Auftraggeber unter vorgespiegelter Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit gefertigt werden und zu einem unrichtigen Ergebnis gelangen, um dem Auftraggeber einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Solches Verhalten ist strafrechtlich relevant, weil es eine Beihilfe zum Betrug oder zum versuchten Betrug darstellt.


Den ganzen Beitrag können Sie in der Juni-Ausgabe von »Der Bausachverständige« lesen.
Informationen zur Einzelheft- und Abo-Bestellung

Diesen Beitrag finden Sie auch zum Download im Heftarchiv.

 

NEWSLETTER

Der BauSV-Newsletter bietet Ihnen alle zwei Monate kostenlos aktuelle und kompetente Informationen aus der Bausachverständigenbranche.

zur Newsletter-Anmeldung

Zurück zum Seitenanfang