DER BAUSV 5/2019


Olaf Jaeger


Der Sachverständige und die HOAI nach dem EuGH-Urteil vom 4. Juli 2019


Der Beitrag zeigt, welche Bedeutung das EuGH-Urteil für den gerichtlichen Sachverständigen hat, der mit Honorarfragen befasst ist.


Einleitung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 4.7.2019 (Rs. C 377/17) die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) als europarechtswidrig eingestuft. In einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland erging diese lange erwartete und von vielen schon vorhergesehene Entscheidung. Nach der EU-Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG dürfen nämlich Mindest- und Höchstpreise nur unter engen Voraussetzungen festgesetzt oder beibehalten werden.

Was bedeutet dieses Urteil für den gerichtlichen Sachverständigen, der mit Honorarfragen befasst ist?

Im Nachfolgenden soll zunächst der Hintergrund und die allgemeine Aussage des EuGH-Urteils kurz dargelegt werden (1.), um sodann auf die seitdem bereits ergangenen Entscheidungen deutscher Gerichte einzugehen (2.) und schließlich den Sachverständigen entsprechende Anregungen im Umgang hiermit an die Hand zu geben (3).


1. EuGH-Urteil vom 4.7.2019 (Rs. C 377/17)

Gegenstand des EuGH-Urteils ist eine deutsche Verordnung (also kein Gesetz), die HOAI gilt bundesweit in ihrer derzeitigen Fassung seit 2013 für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren und regelt verbindlich Honorardetails – und nach Auffassung der Bundesregierung hätte sich daran auch nichts ändern sollen. Vor Gericht argumentierte sie (unterstützt u.a. von den Kammern der Planer), dass es für die verbindlichen Mindesthonorare zwingende Gründe gebe, die im Interesse der Allgemeinheit lägen (dies ist regelmäßig ein wichtiges Argument für nationale Regelungen, die unter Umständen gegen Grundsätze des Europarechts verstoßen könnten).

Das wichtigste Ziel der HOAI sei es, die hohen Qualitätsstandards der Architekten- und Ingenieurleistungen zu sichern. Eine gute Planung diene nicht nur der Sicherheit der Gebäude (= Interesse der Allgemeinheit), sondern auch dem Verbraucherschutz. Sie soll insbesondere einen ruinösen Preiswettbewerb verhindern, um Auftraggebern die bestmöglichen Leistungen zu sichern, deren Qualität von diesen kaum im Voraus bewertet werden kann und die gleichzeitig einen besonders großen Einfluss auf das Leben der Menschen hat.

Bei diesen positiven Zielen stellt sich die Frage, warum die EU-Kommission 2015 gegen die Verordnung klagte.

Das liegt an dem Geltungsbereich der HOAI, denn diese gilt nur für Architekten und Ingenieure, die ihren Sitz in Deutschland haben und ihre Leistungen von Deutschland aus erbringen. Für einen Architekten aus dem EU-Ausland gilt sie hingegen nicht (selbst wenn es ein deutscher Architekt ist, der sich jenseits der Grenze niedergelassen hat), es sei denn, er lässt sich in Deutschland nieder (Niederlassungsfreiheit). Daran würde er aber durch die Regelungen der HOAI in wirtschaftlicher Hinsicht gehindert (d.h. diese Wirkung wäre ein Verstoß gegen EU-Recht).

Denn er kann, so argumentierte die EU-Kommission, kaum mit etablierten deutschen Architekten konkurrieren, wenn er seine Dienstleistungen nicht günstiger anbieten darf, ebenso darf er keine höherwertigen Leistungen zu höheren Preisen anbieten, um sich so von den deutschen Planern abzuheben. Deshalb beschränke die HOAI die Niederlassungsfreiheit und den Marktzugang, Freiheiten, auf die sich die EU-Staaten im EU-Vertrag verständigt haben.

Das von der Bundesregierung vorgebrachte Argument, dass die Mindestsätze eine gewisse Qualität sicherstellten, überzeugte die EU-Kommission nach Überprüfung nicht: Aus Daten des Statistikamtes Eurostat gehe zwar als Wirkung der HOAI hervor, dass Architekten in Deutschland deutlich besser verdienten als in anderen EU-Ländern. Es gebe aber ausweislich von Schadensstatistiken keine Hinweise darauf, dass Architekten in den anderen Ländern schlechtere Arbeit ablieferten.

Darüber hatten nun die EU-Richter zu befinden. Sie stimmten zwar der Bundesrepublik Deutschland in mehreren Punkten zu und wiesen damit teilweise die Argumente der EU-Kommission zurück. Die Mindest- und Höchstsätze für Architekten und Ingenieure stellten keine »direkte oder indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit« oder aufgrund des Firmensitzes dar, heißt es im Urteil. Ferner könnten verbindliche Mindesthonorare durchaus grundsätzlich geeignet sein, um einen Konkurrenzkampf und qualitativ minderwertige Billigangebote auf dem Markt zu vermeiden, wie es die Bundesrepublik bezwecke (der Zweck selbst wurde ebenfalls gutgeheißen).


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