BauSV 3/2021


Olaf Jaeger


Der Sachverständige als Schiedsgutachter


Der Beitrag beleuchtet anlässlich einer aktuellen BGH-Entscheidung vom 11.3.2021 (Az. VII ZR 196/18) die Auswirkungen einer Schiedsgutachtervereinbarung und gibt Praxishinweise für die Gutachtertätigkeit von Sachverständigen.

Ein aktuelles BGH-Urteil zu den Auswirkungen einer Schiedsgutachtervereinbarung gibt Anlass, dieses für Sachverständige relevante Betätigungsfeld einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Denn die Tätigkeit als Schiedsgutachter ist von einigen Besonderheiten geprägt, sowohl für den Sachverständigen als auch für die Parteien einer solchen Abrede. Dies hat der Sachverständige im Rahmen seiner Gutachtertätigkeit entsprechend zu berücksichtigen.


1. Der Ausgangsfall

Anlass für den BGH, sich mit dieser Thematik zu befassen, war die Abwicklung eines Prozessvergleichs, den die Parteien in einem Rechtsstreit nach einem selbstständigen Beweisverfahren geschlossen hatten. In einem vor dem Landgericht München geführten Rechtsstreit schlossen die Parteien am 15.2.2012 folgenden, nicht widerrufenen

»Widerruflichen Vergleich:

I. Die Beklagte verpflichtet sich am streitgegenständlichen Anwesen sämtliche Mängel, die der SachverständigeB. im selbstständigen Beweisverfahren 10 bzw. 4 in seinem Gutachten vom 30.03.2009 und 30.03.2010 festgestellt hat – mit Ausnahme [...] – gemäß dem Gutachten bis zum 31.10.2012 zu beseitigen.

II. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Mangelbeseitigung baubegleitend und überwachend durch den Sachverständigen W. auf Kosten des Beklagten erfolgt.

III. Die Abnahme der Mangelbeseitigungsarbeiten hat durch den Sachverständigen B. zu erfolgen.

Die Kosten (Bruttobetrag) für die Abnahme durch den Sachverständigen werden von der Beklagten getragen.

IV. Die Parteien sind sich darüber einig, dass etwaige Mängel an den Nachbesserungsarbeiten bzw. nicht nachgebesserte Mängel, die vom Sachverständigen B. bei der Abnahme festgestellt werden von diesem bewertet werden und der Betrag, den der Sachverständige feststellt von der Beklagten an die Klägerin als Abgeltung bezahlt wird. Beide Parteien unterwerfen sich den Feststellungen des Sachverständigen B.

[...]

VII. Mit diesem Vergleich sind sämtliche streitgegenständlichen wechselseitigen Ansprüche der Parteien untereinander abgegolten und erledigt. [...]«


Um es vorwegzunehmen, mit diesem Vergleich hatten die Parteien eine Schiedsgutachtervereinbarung geschlossen. Diese wurde dann wie folgt umgesetzt (was zu nicht unerheblichen späteren Komplikationen führte):

Der gemäß Ziffer II des Prozessvergleichs vorgesehene Sachverständige W. wurde in der Folge einvernehmlich durch den Sachverständigen B., den Streithelfer der Klägerin, ersetzt. Die Klägerin hat also den Schiedsgutachter im Nachhinein in den Rechtsstreit einbezogen, als sie erkannte, dass dessen Gutachten von Beklagtenseite nicht akzeptiert wurde. Damit zeigt sich, dass die Übernahme eines Auftrags zur Erstellung eines Schiedsgutachtens mit gewissen Risiken verbunden ist.

Gleichwohl, um auch dies als persönliche Einschätzung vorwegzunehmen, dienen Schiedsgutachten insgesamt einer Streitvermeidung und können sehr häufig, so wie in dem vorstehend zitierten Prozessvergleich angelegt, einen sinnvollen Weg bereiten und begleiten, um zum Beispiel Mängel abzuarbeiten.

Die Mängelbeseitigungsmaßnahmen der Beklagten in dem vom BGH entschiedenen Fall wurden sachverständigenseits begleitet und einer Abnahmebegehung unterzogen. Mit Gutachten vom 16.5.2013, unterzeichnet von dem Streithelfer und dessen Mitarbeiter S., wurde unter anderem Folgendes festgestellt:

»Zusammenfassend ist festzuhalten, dass noch eine erhebliche Anzahl von Mängeln aus meinen Gutachten [...] vorhanden ist und dass die Mangelbeseitigungsarbeiten z.T. nicht fachgerecht ausgeführt wurden. Aus technischer Sicht kann einer Abnahme der Mängelbeseitigungsarbeiten insgesamt nicht zugestimmt werden. Die Kosten für die durchzuführenden Mängelbeseitigungsarbeiten einschließlich der erforderlichen Rückbauarbeiten der mangelhaft ausgeführten Leistungen werden durch mich grob überschlägig auf ca. 88.000 EUR zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer geschätzt. In der geschätzten Summe nicht enthalten sind Kosten für die Beseitigung von Mängeln, welche erst im Zuge von weiteren Bauteilöffnungen oder nach Zugänglichkeit von bisher nicht zugänglichen Bereichen erkannt werden, wie z. B. bei den Balkonen. [...]«

Nach der am 27.9.2013 durchgeführten Bauteilöffnung wurde unter dem 24.10.2013 ein weiteres – wiederum von dem Streithelfer und dessen Mitarbeiter S. unterzeichnetes – Gutachten erstellt. Darin werden die Feststellungen zu den Mängeln und der nicht fachgerechten Ausführung der Mängelbeseitigungsmaßnahmen sowie zur fehlenden Abnahmefähigkeit der Mängelbeseitigungsmaßnahmen aus technischer Sicht wiederholt.

Ferner werden die Kosten für die durchzuführenden Mängelbeseitigungsarbeiten einschließlich Rückbauarbeiten nunmehr »grob überschlägig auf ca. 170.000 EUR bis 200.000 EUR zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer« geschätzt. Schließlich wurde unter dem 11.7.2014 eine neuerliche Sachverständigenbewertung der festgestellten Mängel mit Kostenschätzung der Mängelbeseitigung in Höhe von 212.221,52 EUR brutto vorgenommen.

Eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgte nicht.

Mit der Klage hat die Klägerin den vom Streithelfer angegebenen Betrag zur Abgeltung der Mängel, die Sachverständigenkosten und Schadensersatz wegen eines im Zuge der Mängelbeseitigungsmaßnahmen verursachten Schadens an den Grünanlagen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsansprüche weiter. Der BGH hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da aus seiner Sicht die Sache noch nicht zur Entscheidung reif war.


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