Timo Siemer


Der gesetzliche Anspruch der Architekten und Ingenieure auf Teilabnahme


Kann der Gesetzgeber mit der Einführung eines Rechts auf Teilabnahme eine ungleiche Belastung von Architekten bzw. Ingenieuren im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Bauunternehmer reduzieren, und zwar vor dem Hintergrund, weil Architekten bzw. Ingenieuren bei einer späten Inanspruchnahme kein Rückgriff gegen den Bauunternehmer aufgrund bereits eingetretener Verjährung der Mängelhaftung im Verhältnis Auftraggeber zu Bauunternehmer mehr möglich sein soll?

Die Neuregelungen zum Architekten- und Ingenieurvertragsrecht im BGB

Derzeit gibt es wohl kaum ein anderes Thema, das die gesamte Baubranche so sehr beschäftigt, wie das neue Bauvertragsrecht, das am 1.1.2018 in Kraft getreten ist. Durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung wurden aber nicht nur erhebliche Änderungen des privaten Baurechts herbeigeführt. Denn erstmals in der Geschichte des Bestehens des Bürgerlichen Gesetzbuches wurden mit den §§ 650p–650t BGB eigenständige Vorschriften zum Architekten- und Ingenieurvertrag geschaffen.

Bislang gab es keine speziellen Vorschriften im BGB für diese Vertragsformen, auch wenn gelegentlich fälschlicherweise der HOAI (Honorarordnung der Architekten und Ingenieure) eine vertragsrechtliche Bedeutung beigemessen wurde, obwohl es sich dabei nicht um Vertrags-, sondern um reines Preisrecht handelt.

Für die rechtliche Einordnung kamen mangels ausdrücklicher Vorschriften in früheren Jahren das Dienstvertragsrecht (§§ 661 ff. BGB) und das bislang geläufige Werkvertragsrecht des BGB (§§ 631 ff. BGB) in Betracht. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1959 hat der BGH einen rund 50 Jahre währenden Streit über die rechtliche Qualität dieser Vertragstypen geklärt und sich für die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts ausgesprochen. Der BGH konnte aber bislang nur einen geringen Teil der juristischen Fragestellungen zum Architekten- und Ingenieurvertrag entscheiden, sodass fortwährend teilweise hitzige Diskussionen in der Fachliteratur geführt werden.

Mit der Implementierung eines eigenständigen Architekten- und Ingenieurvertragsrechts im BGB möchte der Gesetzgeber ab dem 1.1.2018 diese »Lücke« schließen und für mehr Rechtssicherheit sorgen. Ob ihm das mit der Schaffung der §§ 650p–650t BGB gelungen ist, ist aufgrund der sprachlichen Ungenauigkeiten und Unvollständigkeiten der neuen Vorschriften kritisch zu betrachten. 

Der Anspruch auf Teilabnahme gem. § 650s BGB

Für erforderlich hielt der Gesetzgeber jedenfalls einen gesetzlichen Anspruch auf Teilabnahme. Weil das derzeit noch anwendbare Werkvertragsrecht eine Teilabnahme nicht vorsieht, musste das Recht auf Teilabnahme zwischen den Parteien vertraglich vereinbart werden.

Mit der neuen Vorschrift soll das geändert werden, die Folgendes regelt:

»Der Unternehmer kann ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der von ihm bis dahin erbrachten Leistungen verlangen.«

Gesetzgeberische Begründung für Teilabnahme

Mit der neuen Regelung soll dem Architekten bzw. Ingenieur die Möglichkeit gegeben werden, hinsichtlich der bis dahin erbrachten Leistungen einen Gleichlauf der Verjährungsfristen der Mängelhaftung mit der des Bauunternehmers zu erreichen. In der Gesetzesbegründung finden sich an mehreren Stellen Ausführungen zum Gesetzesentwurf. 

Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8486) auf Seite 27: »§ 650r BGB-E räumt Architekten und Ingenieuren ein Recht auf eine Teilabnahme ein, wenn das von ihnen geplante Bauwerk abgenommen ist.«

Auf Seite 34 heißt es: »Architekten und Ingenieure sollen künftig eine Teilabnahme ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer verlangen können (§ 650r BGB-E). Hierdurch wird die Abnahme der Gesamtleistung am Schluss durch zwei Abnahmen von Teilleistungen ersetzt.« 

Die umfassendste Begründung des Gesetzgebers findet sich auf Seite 70: »Die Vorschrift eröffnet dem Architekten oder Ingenieur das Recht, ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der bis dahin erbrachten Architekten- oder Ingenieurleistungen zu verlangen. Damit wird hinsichtlich des überwiegenden Teils der Leistungen des Architekten oder Ingenieurs ein Gleichlauf der Verjährungsfrist der Mängelhaftung mit der des bauausführenden Unternehmers erreicht.«


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