BauSV 2/2023


Sachverständigenrecht


Ingo Kern, Oliver Kontusch


Der emissionsarme Ortstermin

Fahrtkostenersatz und Elektromobilität


Man ist, soweit wir sehen können, mehrheitlich begeistert darüber, dass Sachverständige honorig für ihre Tätigkeit entlohnt werden. Alles, was sie dazu wissen müssen, steht im JVEG.

Man erhält als Sachverständiger also auch Entschädigungszahlungen für Fahrtkosten (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 2 JVEG). Damit sind wir zielsicher dort angekommen, wo Sachverständige alle Wege hinführen: einige nach Rom, die meisten anderen zum Ortstermin oder zu Gericht, um ihre Gutachten mündlich zu erläutern. Fahrtkosten werden im Anschluss abgerechnet. Viel Gedanken macht sich darüber niemand.

Vom Bedürfnis gepackt, das bislang Unausgesprochene auf den Tisch zu legen, wollen wir das Mauerblümchendasein der Elektromobilität bei Erstattungsfragen i.S.d. § 5 JVEG beenden. Rechtsprechung und Literatur zu § 5 JVEG bei elektrounterstützter Fortbewegung sind bislang so rar, dass man meint, das Wort »selten« müsse neu erfunden werden. Das gibt uns den Anstoß, die Thematik einmal etwas näher zu beleuchten.


I. Dieselruß, Stickoxide und sonstige Fortbewegungsmittel

§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG ist zunächst ganz auf den klassischen Diesel- und Benzinmotor zugeschnitten. Bei Benutzung des eigenen »Kraftfahrzeugs« werden dem Sachverständigen zur Abgeltung der Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,42 Euro für jeden gefahrenen Kilometer (Ortstermin, Anhörungstermin bei Gericht) ersetzt. »Kraftfahrzeug« ist dabei nach § 1 Abs. 2 StVG jedes »Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Bahngleise gebunden zu sein«. Also: Personenkraftwagen mit Verbrennungsmotoren, auch Motorräder, ziehen unproblematisch einen Anspruch auf pauschalierte Fahrtkostenerstattung nach sich.

Die Alternativen Rikscha, Vierspänner, Tretroller, Fußweg oder Radfahren fallen dagegen nicht unter die Norm. Die Hoffnung auf Entschädigung für zwei- oder vierbeinigen Muskeleinsatz ist so vergeblich wie die Hoffnung, zwei Jahre unfallfrei beim Autofahren E-Mails lesen zu können. Das VG München hat natürlich recht mit seiner im Grunde banalen Feststellung, dass ein Fahrrad eben kein »Kraftfahrzeug« ist. Soweit das OVG Bremen dagegen einem Dolmetscher Fahrtkostenersatz für die Nutzung eines Fahrrades zugesteht, so beruht dies auf einem mit § 5 JVEG nicht kompatiblen Sonderfall.

Die Herausnahme des Fahrradfahrers aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG mag man bei einem simplifizierten Verständnis von klimaneutralem Gemeinleben und unter dem Label »sparsamer Umgang mit Energie« für aus der Zeit gefallen erachten. Juristisch erscheint uns der Schluss aber zwingend. Hier müsste der Gesetzgeber eingreifen, wenn er die Entschädigungsberechtigung weg vom Kraftfahrzeug auf das klassische Radfahren oder auf die Fußgänger erweitern will.

Das Ungewohnte ist nun nicht notwendigerweise immer das Falsche. Als »Kraftfahrzeug« gilt ein Fahrrad zumindest dann, wenn es durch einen auf dem Rücken des Fahrers geschnallten Gleitschirmpropellermotor fortbewegt wird. Dieser Rechtssatz ist nicht ganz so albern wie er zunächst klingt. Das Votum eröffnet jedenfalls Sachverständigen zum einen eine durchaus abwechslungsreiche und zum anderen auch noch vergütungsfähige Reiseoption. Nun, man möchte sagen, erleben vergütungsgewogene Sachverständige Möglichkeiten, die vor einigen Jahren noch niemals welche gewesen wären: Mono-Wheeler (Segways), Balance Wheels, Skateboards und Hoverboards u.a. Kleinstfahrzeuge mit elektrischem Antrieb sind – wenn schneller als 6 km/h – als »Kraftfahrzeug« i.S.d. Verkehrsrechts zu qualifizieren.


II. Elektromobilität

Schwieriger einzuordnen sind die gängigen Fortbewegungsmittel der bunten Welt der Elektromobilität.


1. Elektro- und Hybridfahrzeuge

Elektro- und Hybridfahrzeuge wird man noch zwanglos unter § 5 JVEG ziehen können. Allein das Fehlen des Verbrennungsmotors führt nicht dazu, dass die (im Übrigen handgreifliche) Kraftfahrzeugeigenschaft verloren ginge. Hierfür sprechen auch schlicht praktische Gesichtspunkte: Wollte man den Elektroantrieb vom Fahrtkostenersatz ausnehmen, dann müsste etwa bei Hybridfahrzeugen eine genaue Aufsplittung der Antriebsart erfolgen. Das verspricht so viel Erfolg wie das Ansinnen, den eigenen Blinddarm verlängern zu lassen.


2. E-Scooter

E-Roller unterliegen der straßenverkehrsrechtlichen Kennzeichen- und Versicherungspflicht. Der Gesetzgeber ordnet solche elektrisch betriebenen Roller konsequent als Kraftfahrzeuge i.S.d. § 1 Abs. 2 StVG ein. Überzeugende Gründe, die E-Scooter aus dem Anwendungsbereich von § 5 JVEG herauszunehmen, gibt es damit nicht. Fazit: Rollt der Sachverständige mit Elektroantrieb zu seinem Termin, dann kann er im Anschluss Fahrtkosten nach dem JVEG geltend machen.


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