Jennifer Essig


Das selbstständige Beweisverfahren

Stolpersteine des Sachverständigen


Der Beitrag befasst sich mit typischen Fragestellungen bei der Bearbeitung gerichtlicher Gutachtenaufträge im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens.

Das selbstständige Beweisverfahren ist aus der gerichtlichen Praxis nicht mehr wegzudenken. Sinn und Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens ist es, den Streitparteien zu ermöglichen, Beweisfragen außerhalb eines streitigen Hauptsacheverfahrens sachverständig klären zu lassen, um dadurch möglichst die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens vermeiden zu können. Zum Arbeitsalltag eines jeden öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gehört daher auch seine Tätigkeit im Rahmen einer gerichtlichen Beauftragung.

In der überwiegenden Anzahl der Fälle leitet das Gericht selbstständige Beweisverfahren jedoch eher am »langen Zügel«, sodass den Parteien grundsätzlich erheblicher Gestaltungsspielraum verbleibt, denn allein der Anlass und der Ausgangspunkt des selbstständigen Beweisverfahrens und die Anträge der Parteien innerhalb dieses Beweisverfahrens bestimmen den Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens.

Zwar sieht das Gesetz in dem formal gerichtlichen Verfahren vor, dass die Leitung des Verfahrens in den Händen des Gerichts verleibt (§§ 492 Abs. 1, 404a ZPO). Da das Gericht jedoch stets auf die Fachkenntnis und Sachkunde der Sachverständigen angewiesen ist, hat der Sachverständige auch bei seiner Gutachtenerstattung im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens eigenverantwortliche Entscheidungen über die Vorbereitung, Durchführung und den Abschluss der Begutachtung zu treffen.

Gerade aber weil das selbstständige Beweisverfahren den Parteien den Gestaltungsspielraum überlässt, sind gerichtlich bestellte Sachverständige bei der Bearbeitung solcher Gutachtenaufträge häufig mit zahlreichen Problemen konfrontiert, die sie in aller Regel ohne Hilfestellung oder gar Anweisungen des Gerichts zu lösen haben. Der Beitrag befasst sich daher mit typischerweise im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens aufkommenden Problemkreisen bei der Bearbeitung gerichtlicher Gutachtenaufträge.


1. Sorgfältige Prüfung des Gutachtenauftrags

Mit Eingang des Gutachtenauftrags durch das Gericht beginnt bereits die eigentliche Tätigkeit des gerichtlich bestellten Sachverständigen. In der Regel wird dem Sachverständigen mit dem Gutachtenauftrag auch ein Auszug oder die gesamte Gerichtsakte nebst dem vom Sachverständigen abzuarbeitenden Beweisbeschluss übersandt und dem Sachverständigen auch bereits eine Frist, bis zu der das Gutachten spätestens zu erstatten ist, gesetzt.

Der Sachverständige hat nach Eingang des Gutachtenauftrags unverzüglich zu prüfen, ob der Gutachtenauftrag überhaupt in sein Sachgebiet fällt und/oder ob die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erforderlich wird. Der Sachverständige ist daher verpflichtet, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt in das Aktenstudium einzutreten und sich dabei auch sorgfältig mit den Formulierungen in dem abzuarbeitenden Beweisbeschluss zu befassen. Ergeben sich hieraus Anhaltspunkte, dass die Beantwortung von Beweisfragen ganz oder teilweise außerhalb der Sachkunde des beauftragten Sachverständigen liegt, hat der Sachverständige dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

Die Prüfung, ob die Beweisfragen in die eigene Sachkunde fallen, beschränkt sich dabei jedoch nicht lediglich auf die verfahrensgegenständlichen Mangelkomplexe. Auch bei vermeintlich einfachen Begleitfragen, wie bspw. die in Bausachen regelmäßig zu beantwortende Frage, welche Kosten schätzungsweise für die Beseitigung festgestellter Mängel anfallen, sollte dies sorgfältig bedacht werden.

Denn auch wenn der Sachverständige grundsätzlich der Auffassung ist, dass er dazu in der Lage ist, grobe Kostenschätzungen abzugeben, muss er bereits in diesem frühen Stadium prüfen, ob der Gutachtenauftrag möglicherweise auch solche Kostenschätzungen betreffen kann, die außerhalb der eigenen Sachkunde des Sachverständigen liegen, weil beispielsweise auch Vor- oder Nacharbeiten erforderlich werden, die außerhalb des Bereichs der eigenen Sachkunde liegen.

Anhaltspunkte hierfür ergeben sich zwar häufig erst im weiteren Verlauf des Verfahrens, können ggf. aber auch schon im Rahmen des Aktenstudiums erkannt werden, wenn sich der Sachverständige mit dem Vortrag der Parteien und den gegebenenfalls eingereichten Anlagen befasst.


2. Vergütung

Die Vergütung des Sachverständigen im Rahmen einer gerichtlich beauftragten Gutachtenerstattung richtet sich nach den Vorschriften des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (JVEG).

Mit Eingang der Beauftragung hat der Sachverständige umgehend zu prüfen, welche Kosten voraussichtlich für die Erstattung des Gutachtens anfallen. Sollten Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstands stehen oder einen bestimmten benannten Betrag erheblich übersteigen, ist der Sachverständige verpflichtet, dies dem Gericht mitzuteilen. Diese Hinweispflicht sollte nicht leichtfertig außer Acht gelassen werden. Denn bei Missachtung der Hinweispflicht steht dem Sachverständigen eine Vergütung nur in Höhe des angeforderten Auslagenvorschusses zu (§ 8a Abs. 4 JVEG).

Da die Gebührensätze gemäß JVEG für Sachverständige heute kaum noch auskömmlich sind, empfiehlt es sich zudem, dass der Sachverständige bei Gericht um eine Erhöhung seines Verrechnungssatzes gemäß § 13 JVEG ersucht. Zwar müssen die Parteien dazu vom Gericht zunächst angehört werden. Bei angemessenen Stundenverrechnungssätzen wird in der Regel aber die Zustimmung durch die Parteien erteilt. Fehlt eine solche oder wird sie verweigert, kann das Gericht die Zustimmung auch ersetzen, sodass dem Erhöhungsgesuch des Sachverständigen regelmäßig entsprochen wird.


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