Eva-Martina Meyer-Postelt


Befangenheit wegen Nichtverlegung eines Termins?

Sachverständigenrecht


Kommt der gerichtliche Sachverständige dem Parteibegehren, seinen Untersuchungstermin wegen der »Corona«-Gefährdungslage abzusagen, nicht nach, ergibt dies nicht seine Befangenheit.

AG Lünen, Beschluss vom 6.5.2020 – 23 K 36/11


Zum Sachverhalt

In einem Zwangsversteigerungsverfahren bezüglich eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage hat die Schuldnerin gegen die Bestellung des Gutachters einen Ablehnungsantrag wegen der Besorgnis der Befangenheit gestellt. Zur Begründung des Antrags trägt die Schuldnerin vor, dass sie einen für den 18.4.2020 angesetzten Termin mit dem Gutachter aufgrund der aktuellen Gefährdungslage bezüglich einer möglichen Ansteckung mit dem Corona-Virus absagen wollte, der Gutachter jedoch ihrem Verlegungswunsch nicht nachgekommen ist. Das Amtsgericht weist den Antrag als unbegründet zurück.


Aus den Gründen

Der Antrag ist gemäß §§ 406, 42 Abs. 2 ZPO zulässig, jedoch unbegründet. § 42 Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass ein Grund vorgetragen wird, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Gutachters zu rechtfertigen. Die Antragsbegründung der Schuldnerin enthält keinen hinreichenden Grund im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO. Der Gutachter ist gehalten, einen Begutachtungstermin nur nach Rücksprache mit dem Gericht aufzuheben.

Eine eigenmächtige Verschiebung des Termins durch den Gutachter ist daher gar nicht möglich. Der Antrag war daher zurückzuweisen.


Anmerkung

Der gerichtliche Sachverständige kann einen Auftrag – ohne das Risiko einer Sanktion einzugehen – zurückgeben, wenn er eine konkrete Gesundheitsgefahr im Falle der Bearbeitung des Gutachtenauftrags für sich selbst sieht, und zwar auch dann, wenn der Sachverständige öffentlich bestellt ist und daraus grundsätzlich ein Begutachtungszwang resultiert. Soweit das nicht der Fall ist, der Sachverständige also keine konkreten Gesundheitsgefahren für sich sieht, bearbeitet er den Gutachtenauftrag in der üblichen Art und Weise.

Die Bestimmung von Ortsterminen kann der Sachverständige – unter angemessener Beachtung der Belange der Beteiligten – nach eigenen Vorstellungen bestimmen. Wendet sich ein Beteiligter gegen vom Sachverständigen bestimmte Maßnahmen, z.B. die Durchführung eines Ortstermins, hat der Sachverständige abzuwägen, ob Veranlassung zur Änderung besteht.

Entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung ist der Sachverständige zu der Terminverlegung keinesfalls erst nach Rücksprache mit dem Gericht befugt. Der Sachverständige ist vielmehr von sich aus zu Terminverlegungen berechtigt. Dies gilt auch, soweit ein Beteiligter sein Begehren auf Terminaufhebung und Neuterminierung eines Ortstermins mit der »Corona-Gefährdung« begründet.

Der allgemeine Hinweis auf eine mögliche Ansteckungsgefährdung, wie sie grundsätzlich im öffentlichen Raum bestehen soll/kann, dürfte allerdings noch keine ausreichende Veranlassung für eine Terminänderung abgeben. Hier gilt wie allgemein: Abstand halten und die Hygieneregeln beachten.

Wenn der Sachverständige jedoch in einer für ihn neuen und undurchsichtigen Situation, wie sie der Antrag auf Terminverlegung wegen »Corona-Gefährdung« darstellen könnte, vom Gericht eine gerichtliche Weisung erbittet, dann ist er an diese gebunden.

EMMP


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