DER BAUSV 3/2019


Eva-Martina Meyer-Postelt


Bauvertragsrecht

Rückgabe der Gewährleistungssicherheit

 

1. Eine vereinbarte Gewährleistungssicherheit richtet sich unter Akzessorietätsgesichtspunkten nach dem Bestehen der Hauptforderung. Die Hemmung der Verjährungsfrist für Mängelansprüche führt dementsprechend zu einer Verlängerung der vertraglich vereinbarten Sicherheitsstellung.

2. Leitet der Auftraggeber wegen Mängeln rechtzeitig ein selbstständiges Beweisverfahren ein, ist der für die Gewährleistungssicherheit vereinbarte Rückgabezeitpunkt noch nicht eingetreten.

OLG Hamm, Beschluss vom 22.02.2018 – 21 U 127/17 | BGH, Beschluss vom 18.07.2018 – VII ZR 68/18 (NZB zurückgenommen)


Zum Sachverhalt

Die Parteien haben einen VOB-Bauvertrag abgeschlossen. Die Bauleistungen sind erbracht und abgenommen. Die Auftragnehmerin hat dem Auftraggeber eine Bürgschaft für Mängelansprüche über ca. 53.000,00 € übergeben. Vor Ablauf der Gewährleistungsfrist hat der Auftraggeber wegen diverser streitiger Mängel ein gerichtliches Beweisverfahren gegen die Auftragnehmerin eingeleitet. Die Mängelbeseitigungskosten hat der Auftraggeber mit ca. 30.000,00 € angegeben.

Unabhängig davon hat die Auftragnehmerin dann zwei Jahre nach der Abnahme vom Auftraggeber die Rückgabe der Mängelansprüchebürgschaft gefordert. Mit Verweis auf das eingeleitete Beweissicherungsverfahren hat der Auftraggeber die Rückgabe abgelehnt. Daraufhin verlangt die Auftragnehmerin als Klägerin die Herausgabe der Mängelansprüchebürgschaft vom Auftraggeber, dem Beklagten, und will hilfsweise die Abgabe der Erklärung durchsetzen, dass der Beklagte aus der Gewährleistungsbürgschaft keine Rechte mehr geltend machen kann und auf diese Rechte insgesamt verzichtet.

Das Landgericht hat den Beklagten nur zur Abgabe der Erklärung gegenüber der Klägerin und der Bürgin verurteilt, dass Rechte aus der Mängelansprüchebürgschaft in Höhe eines Betrages von ca. 23.000,00 € nicht (mehr) geltend gemacht werden und auf die Rechte aus dieser Bürgschaft insoweit ausdrücklich verzichtet wird. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Mit dieser hat die Klägerin beim OLG keinen Erfolg. Das OLG bestätigt die Entscheidung des Landgerichts, nachdem es die Klägerin zuvor auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung hingewiesen und damit der Klägerin – allerdings vergeblich – Gelegenheit zur Rücknahme der Berufung gegeben hat. Soweit die Klägerin gegen diesen Beschluss Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH erhoben hat, ist nicht bekannt, aus welchen Gründen die Klägerin diese Beschwerde wieder zurückgenommen hat.


Aus den Gründen

Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig u.a. davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen zutreffend ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe der gesamten Bürgschaft – insbesondere aus §§ 631 BGB, 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B in Verbindung mit §§ 398, 401, 765 BGB – bestehe unabhängig davon, ob der Rückgabezeitpunkt für die Sicherheit schon abgelaufen oder aber durch die Einleitung des gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens hinausgeschoben worden sei, schon deshalb nicht, weil jedenfalls die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B greife.

Denn der Beklagte habe durch die vor dem vereinbarten Zeitpunkt zur Rückgabe der Bürgschaft erfolgte Einleitung des Beweissicherungsverfahrens seine Ansprüche im Sinne des § 17 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B »geltend gemacht« und sei deshalb in Höhe des von ihm verfolgten Sicherungsinteresses von 30.000,00 € zum Einbehalt der Bürgschaft berechtigt. Da die Bürgschaft allerdings über einen Gesamtbetrag von 52.740,68 € ausgestellt sei, der das Sicherungsinteresse übersteige, sei der auf Abgabe einer Verzichtserklärung gerichtete Hilfsantrag entsprechend teilweise begründet.

Mit ihrer Berufungsbegründung meint die Klägerin, im Grundsatz einen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde zu haben, weil das Beweissicherungsverfahren nicht dazu führe, dass die Gewährleistungsfrist nicht abgelaufen« sei. Soweit gegebenenfalls die Beklagte hinsichtlich einzelner konkreter Mängel die Herausgabe der Bürgschaft zunächst verweigern könne, sei das im vorliegenden Verfahren allerdings nicht der Fall. Denn der Beweisbeschluss im Beweissicherungsverfahren sei mangels hinreichender Konkretisierung etwaiger Mängel in unzulässiger Weise ergangen. Das Landgericht habe insoweit rechtsfehlerhaft eine eigenständige Beweisaufnahme unterlassen.

Außerdem könne man »nicht eine Behauptung aus einem Beweissicherungsverfahren als Tatsache zugrunde legen und darauf eine Entscheidung stützen«. Bereits mit Beschluss vom 16.01.2018 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Senatsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Daran hält der Senat fest. Insbesondere bleibt der Senat bei seiner Auffassung, dass der im Sinne des § 17 Abs. 8 Nr. 2 S. 1 VOB/B vereinbarte Rückgabezeitpunkt noch nicht eingetreten ist.


Anmerkung

Im Rahmen des Beschlusses vom 22.02.2018 hat sich der Senat mit der gegenteiligen Auffassung der Klägerin auseinandergesetzt, die sich ihrerseits auf zwei Entscheidungen, und zwar des OLG Oldenburg (Urteil vom 10.02.2004, 2 U 94/03) und des BGH (Urteil vom 21.01.1993, VII ZR 127/91) gestützt hat. Nach Auffassung des Senats lassen sich aus diesen Entscheidungen keine stichhaltigen Argumente für die Position der Klägerin entnehmen. So hat gerade der BGH bereits in der letztgenannten Entscheidung bestätigt, dass Hemmungen der Verjährungsfrist für Mängelansprüche zu einer entsprechenden Verlängerung der vertraglich vereinbarten Sicherstellung führen.

Überdies lagen diesen beiden Entscheidungen auch nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde. Es geht im Fall des OLG Hamm – anders als beim OLG Oldenburg – nicht um eine exakt fristgebunden zur Verfügung gestellte, zweckgebundene Garantiesumme.

Außerdem geht es auch weder um die Frage, ob nach dem – hier noch gar nicht erfolgten – Eintritt des vereinbarten Rückgabezeitpunktes eine bloße Streitverkündung ein konkretes Beseitigungsverlangen zu ersetzen vermag, so verneinend OLG Oldenburg, noch um die Frage, ob eine Sicherheit herauszugeben ist, wenn die der Sicherheitsvereinbarung zugrunde liegenden Gewährleistungsansprüche zwar verjährt sind, aber die den geltend gemachten Ansprüchen zugrunde liegenden Mängel in unverjährter Zeit gerügt wurden – so der BGH im Jahre 1993.

Diese Entscheidung des OLG Hamm gibt Veranlassung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Sicherheit für Mängelansprüche – egal ob z.B. als Bareinbehalt oder als Bürgschaft vom Auftragnehmer geleistet – mangels abweichender Vereinbarung von VOB-Bauvertragsparteien gemäß § 17 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B nach Ablauf von zwei Jahren nach der Abnahme zurückzugeben ist, und damit erheblich vor Ablauf der Mängelhaftungsfrist für Bauleistungen gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B. Nach Ablauf von zwei Jahren nach der Abnahme wird der Auftragnehmer das Rückgabeverlangen regelmäßig beim Auftraggeber ausdrücklich stellen müssen, denn eine selbstständige Rückgabe durch den Auftraggeber, d.h. ohne dahingehende Aufforderung durch den Auftragnehmer, erfolgt erfahrungsgemäß nicht.


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