Eva-Martina Meyer-Postelt


Auch ein Anhörungstermin ist sorgfältig vorzubereiten!

Sachverständigenrecht


Ein gerichtlicher Sachverständiger, der sich auf eine Anhörung nicht sorgfältig vorbereitet, riskiert, für diese keine Vergütung zu erhalten.

KG, Beschluss vom 9.5.2018 – 27 W 7/18

Zum Sachverhalt

Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens hat der beauftragte Sachverständige ca. 70 Beweisfragen zu beantworten. Im Hauptsacheverfahren erläutert der Sachverständige in 2011 – drei Jahre später – seine Gutachten. Im gleichen Kontext wird der Sachverständige nach weiteren 4 Jahren vom Hauptsachegericht im Rahmen eines ergänzenden Beweisbeschlusses erneut beauftragt, 50 weitere Beweisfragen zu beantworten und sich auch mit vier Privatgutachten zu befassen.

Nach Vorlage des entsprechenden Ergänzungsgutachtens und weiteren umfangreichen Vorträgen der Parteien, wird der Sachverständige zum Anhörungstermin geladen mit dem kurzen gerichtlichen Hinweis, dass er aufgrund der schriftsätzlichen Anmerkungen der Parteien sein ergänzendes Gutachten erläutern soll. Im Termin kann der Sachverständige dann u.a. einzelne Detailfragen nicht spontan beantworten. Das Gericht bricht den ersten Anhörungstermin ab und lädt zu einem zweiten ein. Auch dieser verläuft aus Sicht des Gerichts unbefriedigend und wird schließlich abgebrochen.

Der Sachverständige wird entpflichtet und der Vergütungsanspruch wird dem Sachverständigen vom Landgericht insgesamt aberkannt. Der Sachverständige legt hiergegen Beschwerde ein und erzielt beim OLG einen erheblichen Teilerfolg.

Aus den Gründen

Die Beschwerde des Sachverständigen ist statthaft (§ 4 Abs. 3 JVEG) und hat auch in Sache teilweise Erfolg. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, denn dieser trägt in seiner Begründung die Ab­erkennung des Vergütungsanspruches nicht. Insbesondere folgt aus einem etwaig gegebenen teilweise handwerklichen Unvermögen nicht zwangsläufig, dass der Sachverständige zumindest grob fahrlässig bei der Präsentation seiner gutachterlichen Erkenntnisse gehandelt hat. Dies aber ist erforderlich für die Entziehung des Vergütungsanspruches.

Der Entschädigungsanspruch kann nach herrschender Meinung nur dann entzogen werden, wenn der Sachverständige die mangelnde Verwertbarkeit vorsätzlich oder durch eine grobe Verletzung seiner Pflichten verursacht hat. Dabei reicht einfaches Unvermögen bzw. fehlende Sachkunde allein nicht aus. Denn der gerichtlich bestellte Sachverständige ist Gehilfe der Richter bei der Urteilsfindung; sein Beitrag hierzu ist wegen seiner Sachkunde von einem wesentlichen Einfluss. Diese Funktion für eine geordnete und erfolgreiche Rechtspflege kann nur ein innerlich unabhängiger Sachverständiger erfüllen. Dies aber ist nur dann der Fall, wenn man ihm auch die Furcht vor einem Verlust seiner Entschädigung bei nicht grob fahrlässigem Handeln nimmt. Deshalb ist an die Prüfung der Qualität auch ein strenger Maßstab zu legen.

Handwerkliche Schwächen bei Erstellung und Präsentation des Gutachtens, die vorliegend unter Berücksichtigung einer fehlenden Auseinandersetzung mit den entsprechenden DIN-Normen und einer teilweise nicht nachvollziehbaren Herleitung der Mängelbeseitigungskosten nicht von der Hand gewiesen werden können, reguliert im Späteren der freie Markt. Dass diese Schwächen auf einer groben Fahrlässigkeit beruhen aber folgt hieraus nicht zwangsläufig. Tragende Umstände dafür aber sind weder dem Beschluss des Landgerichts zu entnehmen noch ersichtlich.

Mithin steht dem Sachverständigen die Vergütung für die Erstellung des Ergänzungsgutachtens vom 16.11.2015 in Höhe von 9.177,76 € zu. Nicht hingegen für die Wahrnehmung der beiden Anhörungstermine am 9. und 16.12.2017 über beantragte 1.716,81 €. Denn in diesen Terminen war der Sachverständige gehalten, sein Gutachten nachzubessern und auf die Stellungnahmen der Parteien vom 25.2. und 29.3.2017 zu reagieren. Dies geschah ausweislich der Protokolle in einer »flusigen« Art und Weise. Offensichtlich hatte sich der Sachverständige nur unzulänglich vorbereitet. Der Sachverständige war bereits Monate vorher mit den entsprechenden Schriftsätzen zum Anhörungstermin geladen worden. Mithin verblieb ihm, der ja bereits Jahre zuvor mit dem Bauvorhaben beschäftigt war, ausreichend Zeit zur Vorbereitung.

Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Stellungnahme der Klägerin allein bereits mit 63 Seiten sehr umfangreich war. Wenn dem Sachverständigen die Vorbereitungszeit nicht auskömmlich erschienen wäre, hätte er dies dem Gericht mitteilen müssen. Dann wäre voraussichtlich der Termin auf einen späteren Zeitpunkt verschoben oder aber – wie auch der Beklagte vorgeschlagen hatte – ein schriftliches Ergänzungsgutachten eingeholt worden. Die nachlässige Vorbereitung zum Termin jedenfalls einschließlich der Präsentation begründet ein grob fahrlässiges Verhalten und führt folglich gemäß § 8a Abs. 2 Nr. 2 JVEG insoweit zum Verlust des Vergütungsanspruches.

Anmerkung

Soweit das schriftliche Ergänzungsgutachten des Sachverständigen – trotz seiner Entpflichtung nach den misslungenen Anhörungsterminen – verwertbar war, musste dem Sachverständigen die Vergütung für dieses zugesprochen werden. Nur soweit die Leistungen des Sachverständigen bei den mündlichen Anhörungen unzureichend waren, konnte ihm der Vergütungsanspruch – letztlich ähnlich wie im eingangs dargestellten Fall beim OLG Düsseldorf – auf 0,00 € reduziert werden.

Gerade im Hinblick auf die umfangreichen Parteiäußerungen und weiteren Privatgutachten wäre dem Sachverständigen auch hier dringend zu raten gewesen, das Gericht schon rechtzeitig vor dem ersten Anhörungstermin um eine Konkretisierung der dort beabsichtigten Fragen zu bitten. Warum dies dann aber auch vor dem zweiten Anhörungstermin seitens des Sachverständigen anscheinend nicht initiiert wurde, ist nicht nachvollziehbar.

EMMP


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