Christian Biernoth


Abnahmefiktion und Zustandsfeststellungen


Für alle ab dem 1.1.2018 geschlossenen Werkverträge gilt eine neue Regelung zur fiktiven Abnahme der Werkleistung gemäß § 640 Abs. 2 BGB.


Diese Neuregelung betrifft sämtliche Werkverträge, also nicht nur Bauverträge, und gilt damit auch für kleinere Instandhaltungsarbeiten, die nicht für den Bestand oder den Gebrauch des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind, wie z.B. neue Bodenbeläge oder Malerarbeiten. Für Bauverträge nach § 650a BGB hat der Gesetzgeber zusätzlich einen Anspruch des Auftragnehmers auf Zustandsfeststellung der Bauleistung (§ 650g BGB) geschaffen.

Abnahme der Werkleistung

Die Abnahme der Werkleistung, also die körperliche Hinnahme des Werkes durch den Auftraggeber und seine Erklärung, er erkenne die Leistung als in der Hauptsache vertragsgemäß an, ist bekanntlich für den Auftragnehmer äußerst wichtig. Bis zur Abnahme trägt er nämlich die Leistungsgefahr, also die Gefahr der zufälligen oder durch Dritte hervorgerufenen Verschlechterung des erstellten Werks einschließlich dessen vollständiger Vernichtung, z.B. durch Feuer.

Wird das Werk vor Abnahme beschädigt oder vernichtet, muss der Auftragnehmer das Werk nochmals erstellen, ohne dafür eine zusätzliche Vergütung beanspruchen zu können. Weil der Auftragnehmer bis zur Abnahme die Leistungsgefahr trägt, muss er sein Werk bis dahin auch schützen. Diese Leistungsgefahr geht dann mit der Abnahme auf den Auftraggeber über, der ab dann auch für den Schutz des Werks zu sorgen hat.

Neben dem Beginn der Verjährungsfrist für Mängelrechte ist eine weitere wesentliche Abnahmewirkung, dass im Grundsatz die Vergütung gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB fällig wird, abgesehen von Ausnahmetatbeständen der Fälligkeit ohne Abnahme und von der Durchgriffsfälligkeit nach § 641 Abs. 2 BGB. 

Schließlich kehrt sich auch die Beweislast für Mängel um: Bis zur Abnahme muss der Auftragnehmer nachweisen, dass seine Werkleistung mangelfrei ist, ab Abnahme liegt die Beweislast für das Vorhandensein von Mängeln im Zeitpunkt der Abnahme beim Auftraggeber.


Formen der Abnahme

Für den Unternehmer ist es nun häufig schwierig, die Abnahme durch den Auftraggeber zu erhalten. Es gibt unterschiedliche Konstellationen und Formen der Abnahme, die zu unterscheiden sind. Voraussetzung ist jedoch stets für alle bis Ende 2017 geschlossenen Werkverträge, dass ein abnahmereifes Werk vorliegt, d.h., es dürfen keine wesentlichen Mängel vorliegen. Nach allgemeinem Verständnis ist ein wesentlicher Mangel gegeben, sofern er derart gravierend ist, dass dem Auftraggeber die Übernahme des Bauwerkes nicht zugemutet werden kann, was insbesondere bei einer Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Gebrauchsfähigkeit des Werkes der Fall ist.

Falls also ein abnahmereifes Werk vorliegt und der Auftraggeber das Werk entgegennimmt und dabei auch ohne wörtliche, ausdrückliche Erklärung stillschweigend durch sein Handeln zu erkennen gibt, dass er das Werk als vertragsgemäß ansieht, nimmt er die Werkleistung stillschweigend ab, insbesondere durch dauerhafte Ingebrauchnahme des Werkes, ohne Mängel zu rügen. Wie bei einer ausdrücklich erklärten Abnahme ist dann keine Abnahmefiktion notwendig, denn die Abnahme ist durch den Auftraggeber konkludent erteilt.

Verweigert der Auftraggeber aktiv die Abnahme, sei es, dass er das Werk nicht entgegennimmt oder bei Hinnahme Mängel rügt, ist ebenfalls kein Raum für eine Abnahmefiktion gegeben. Bei einer endgültigen Abnahmeverweigerung oder einer vorläufigen unberechtigten Abnahmeverweigerung treten die Abnahmewirkungen ebenfalls ein, ohne dass es einer Fiktion bedarf.


Wann ist die Abnahmefiktion relevant?

Relevant wird die Abnahmefiktion für diejenigen Fälle, in denen der Auftraggeber schlicht schweigt und das Werk auch nicht konkludent abnimmt. Dann bleibt der Auftragnehmer völlig im Dunkeln, ob seine Werkleistung nun abgenommen ist oder nicht und ob der Auftraggeber Mängel zu beanstanden hat oder nicht.

Hier gilt noch für alle bis Ende 2017 geschlossenen Werkverträge die Regelung des § 640 Abs. 1 S. 3 BGB: Der Auftragnehmer kann dem Auftraggeber eine Frist zur Abnahme setzen. Schweigt der Auftraggeber weiterhin bis zum Fristablauf, wird die Abnahme fingiert, aber eben nur unter der wichtigen Voraussetzung, dass keine wesentlichen Mängel vorhanden sind und damit Abnahmereife vorliegt.

Klagt der Auftragnehmer daraufhin den Werklohn ein, muss er die Abnahmereife im Prozess beweisen. Erfahrungsgemäß kann sich ein solcher Rechtsstreit lange Zeit hinziehen und sich das Werk währenddessen verschlechtern. Es können Beschädigungen des Werks durch Dritte, insbesondere andere Gewerke, ebenso erfolgen wie eine zufällige vollständige Vernichtung des Werks.

Ebenso ist es nicht selten, dass sich während des Rechtsstreits weitere Mängel an der Werkleistung zeigen oder jedenfalls entdeckt werden, die der Auftraggeber bei Fristablauf nicht erkannt hat oder nicht einmal wahrnehmen konnte. Für alle Aspekte muss der Unternehmer im Rechtsstreit beweisen, dass seine Werkleistung zum Zeitpunkt des Ablaufs der gesetzten Abnahmefrist frei von wesentlichen Mängeln gewesen ist und deshalb die Abnahmefiktion gegriffen hat.


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