Eva-Martina Meyer-Postelt


Ablehnung und Vergütungsanspruch des Sachverständigen


Die begründete Ablehnung eines Sachverständigen und die hierdurch bedingte Unverwertbarkeit seines Gutachtens führt nur dann zum Verlust seines Entschädigungsanspruchs, wenn dieser den Ablehnungsgrund verschuldet hat, wobei ihm grundsätzlich nur bei Vorsatz oder grob fahrlässigem Fehlverhalten ein Entschädigungsanspruch zu versagen ist.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 7.7.2021 – 11 W 23/21


Zum Sachverhalt

Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens lehnt die Antragsgegnerin den gerichtlich beauftragten Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab und hat damit beim OLG Erfolg. Allerdings stellt das OLG in seinem Ablehnungsbeschluss nicht fest, dass das Verhalten des Sachverständigen, das zu seiner Ablehnung geführt hat, als grob fahrlässig zu qualifizieren ist.

Nachdem dem Sachverständigen – trotz seiner Abberufung wegen Besorgnis der Befangenheit – im selbständigen Beweisverfahren eine Vergütung zuerkannt wird, legt die Antragstellerin gegen die Entschädigungsentscheidung des Landgerichts Beschwerde ein. Das Landgericht ändert seine Entscheidung nicht ab und legt die Beschwerde dem OLG vor. Auch beim OLG hat die Antragstellerin keinen Erfolg


Aus den Gründen

Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel der Antragstellerin ist unzulässig. Die Beschwerde gegen eine Entschädigungsentscheidung des Gerichts über die Sachverständigenvergütung nach § 4 Abs. 1 JVEG richtet sich nach § 4 Abs. 3 JVEG. Beschwerdeberechtigt sind danach alle Berechtigten und die Staatskasse, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie Antragsteller der gerichtlichen Festsetzung gewesen sind. Daraus folgt, dass die Prozesspartei, insbesondere der etwaige Kostenschuldner, nicht beschwerdeberechtigt ist. Die Antragstellerin des hier zugrunde liegenden Beweisverfahrens gehört danach nicht zum Kreis der beschwerdeberechtigten Personen.

Vorsorglich weist der Senat allerdings ergänzend darauf hin, dass die streitigen Sachverständigenkosten vom Landgericht aber auch zu Recht angesetzt worden sein dürften, weil sie in der festgesetzten Höhe unstreitig angefallen sind. Dass der Sachverständige mit dem vorgängigen Senatsbeschluss für befangen erklärt wurde, vermag daran nichts zu ändern. Zwar kann ein Sachverständiger seinen Entschädigungsanspruch in bestimmten Fällen des § 8a JVEG, die das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend herausgearbeitet hat, einbüßen. Dazu gehören namentlich Fälle, in denen die Unverwertbarkeit seines Gutachtens auf einer gerichtlich attestierten Befangenheitsbesorgnis beruht. Eine derartige gerichtliche Entscheidung bedingt – worauf das Landgericht ebenfalls zutreffend abgestellt hat – aber nicht automatisch den Fortfall des Vergütungsanspruchs.

Der Senat teilt insoweit die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretende Ansicht, wonach die begründete Ablehnung eines Sachverständigen und die hierdurch bedingte Unverwertbarkeit seines Gutachtens nur dann zum Verlust seines Entschädigungsanspruches führt, wenn dieser den Ablehnungsgrund verschuldet hat, wobei ihm grundsätzlich nur bei Vorsatz oder grob fahrlässigem Fehlverhalten ein Entschädigungsanspruch zu versagen ist. Es ist nämlich mit den Belangen einer geordneten Rechtspflege unvereinbar, dem Sachverständigen in allen denjenigen Fällen den Entschädigungsanspruch zu versagen, in denen ihm wegen einer Verursachung der Unverwertbarkeit seines Gutachtens ein Schuldvorwurf gemacht werden kann.

Solchenfalls würde der Sachverständige schon bei einer durch eine leichte Fahrlässigkeit herbeigeführten Unverwertbarkeit seines Gutachtens seinen Entschädigungsanspruch verlieren. Es ist daher zu prüfen, ob der Sachverständige die erforderliche Sorgfalt nach den Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt hat.

Entsprechendes lässt sich im vorliegenden Fall nicht erkennen. Der Senatsbeschluss macht deutlich, dass dem Sachverständigen zwar Nachlässigkeiten und Versäumnisse vorzuwerfen sind. Er hatte seine Absprachen jedoch mit einem allgemeinen fachlichen Austausch begründet. Der Senat hatte daher seinerzeit dem gegen ihn gerichteten Befangenheitsgesuch stattgegeben, weil aus der Sicht der damaligen Antragsgegnerin ein mögliches Misstrauen begründet worden sei. Das ist auch in der hier angefochtenen Entscheidung des Landgerichts herausgestellt worden.

Entgegen der von der Beschwerde vertretenen Rechtsauffassung vermag der Senat der hier angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen, dass sich das Landgericht über die Wertungen des Senats im vorgenannten Beschluss hinweggesetzt hat. Der Senat hatte darin nicht zum Ausdruck gebracht, dass das Verhalten des Sachverständigen als grob fahrlässig zu qualifizieren sei. Eine solche Qualifikation ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin nicht geboten.


Anmerkung

In dieser Entscheidung zeigt sich wieder die gleiche Problematik, auf die ich bereits im letzten Rechtsprechungsreport in Heft 4/2021 »Der Bausachverständige« zur dortigen Entscheidung des OLG Celle, Beschluss vom 4.2.2021 (2 W 14/21), hingewiesen hatte, allerdings hier in einem anderen Zusammenhang. Gerichtliche Kostenbeschlüsse nach § 4 JVEG wirken zwar nicht zu Lasten des Kostenschuldners, also der Partei im Ausgangsverfahren, aber sie sind von der Partei auch nicht angreifbar, sondern beispielsweise nur vom Sachverständigen oder von der Staatskasse. Eine Beschwerde, die eine Partei gleichwohl erhebt, ist als unzulässig zurückzuweisen.

Insofern ist die Entscheidung des OLG auch im vorliegenden Fall zwar rechtlich zutreffend, aber gleichwohl bleibt es dabei, dass die gesetzliche Ausgangslage m.E. misslungen ist und deshalb offenbar auch unter Juristen nur schwer vermittelbar ist, wie sich allein schon daraus ergibt, dass derartige Beschwerden – obwohl sie unzulässig sind – regelmäßig von Juristen, die grundsätzlich über Rechtskunde verfügen, erhoben werden. Im Übrigen darf ich auf meine Ausführungen zur vorerwähnten Entscheidung des OLG Celle im Heft 4/2021 verweisen.

EMMP 


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