• 15.09.2021

Rechtsprechungstipp: Ausführung einer geänderten und technisch notwendigen Leistung

Leitsätze

  1. Führt ein Bauunternehmer eine geänderte Leistung aus, für die aus objektiver Sicht ein technisches Bedürfnis bestand und die nicht in den Bauvertrag eingepreist war, kann sich der Besteller nicht darauf berufen, diese Änderung nicht begehrt oder angeordnet zu haben, sofern der Unternehmer zuvor Bedenken gegen die ungeänderte Ausführung angemeldet hatte.
  2. Anderes gilt nur, wenn der Besteller unmissverständlich erklärt, für ihn sei im Konfliktfall die Vermeidung einer Mehrvergütung vorrangig gegenüber der Funktionstauglichkeit des Werks.
  3. Der Antrag eines Bauunternehmers auf Erlass einer einstweiligen Zahlungsverfügung verliert nicht seine gemäß § 650d BGB vermutete Dringlichkeit, weil er in guter wirtschaftlicher Verfassung und zur Sicherung seiner Liquidität nicht auf die Zahlung angewiesen ist.
  4. Beantragt ein Bauunternehmer eine einstweilige Verfügung nicht zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, sondern erst nach einiger Zeit, hat er die Dringlichkeit seines Anliegens durch solches Abwarten im Zweifel nicht selbst widerlegt.


Zum Sachverhalt

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) und die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) stritten um Vergütungsnachträge zu mehreren Bauverträgen. In einem vorangegangenen Verfahren erstritt die Klägerin bereits eine einstweilige Verfügung gemäß § 650d BGB, in der die Beklagte zu einer Zahlung verpflichtet wurde (KG, Urteil vom 2. März 2021, 21 U 1098/20).

Nunmehr begehrt die Klägerin eine weitere einstweilige Zahlung von der Beklagten. In Bezug auf diese weitere Zahlung stritten die Parteien darum, ob die Klägerin – ein Malerunternehmen – einen Vergütungsnachtrag in Rechnung stellen konnte, weil sie einen zusätzlichen ausgleichenden Haftputz aufbringen musste, da die von ihr zu bearbeitenden Decken und Wände im gesamten Bauvorhaben als Folge ungenauer Betonierarbeiten Schalungsstöße, Versprünge und Kanten aufgewiesen hätten. Die Klägerin vertrat hierzu die Ansicht, dass sie diesen Ausgleichsputz an Decken und Wänden nicht in ihre Vertragsangebote habe einkalkulieren müssen.

Das Kammergericht gelangte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht hat, der die Entscheidung des Landgerichts rechtfertigt, ihr eine einstweilige Zahlung von 11.088,93 Euro (einschließlich Umsatzsteuer) zuzusprechen. Es entschied, dass die zulässige Berufung keinen Erfolg hat, da das Landgericht die Beklagte zu Recht durch einstweilige Verfügung zu der von der Klägerin beanspruchten Zahlung verpflichtet hatte.


Aus den Gründen

Der Unternehmer erhält [...] nicht den Freibrief, Leistungsänderungen vom Besteller unbemerkt auszuführen, um dann hierfür nachträglich eine Mehrvergütung nach § 650c BGB abzurechnen. Es bleibt dabei, dass eine Mehrvergütung die Vereinbarung oder Anordnung einer Leistungsänderung voraussetzt. Dem Besteller ist es nur dann verwehrt, sich auf ihr Fehlen zu berufen, wenn seine Verweigerung einer Anordnung objektiv widersprüchlich war.

Davon kann indes nur die Rede sein, wenn der Unternehmer mit seiner Sichtweise objektiv gesehen richtig liegt und er zudem zuvor Bedenken beim Besteller angemeldet hat. Führt der Unternehmer die geänderte Leistung hingegen ohne solchen Hinweis aus, kann sich der Besteller schon mangels Kenntnis von der Änderung nicht widersprüchlich verhalten haben, der Unternehmer muss sich deshalb das Fehlen einer Veranlassung durch den Besteller weiter entgegenhalten lassen.

KG Berlin, Urteil vom 07. September 2021, Az. 21 U 86/21


Hinweis

Entscheidungen der Berliner Gerichte und der Gemeinsamen Fachobergerichte (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und Landessozialgericht Berlin-Brandenburg) werden kostenfrei seit dem 01.01.2021 unter www.gesetze.berlin.de veröffentlicht. Die o.g. Entscheidung ist dort abrufbar.


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