© Karin Leicht
  • 13.03.2023

Expertenmeinung: Fehlinterpretationen beim Radonschutz

49. Aachener Bausachverständigentage 2023: »Radonschutz? Pflichten und Fehlinterpretationen«


Im Gespräch:
Dipl.-Ing. Karin Leicht, ö.b.u.v. Sachverständige für Schäden an Gebäuden, Würzburg

BauSV: Frau Leicht, Sie werden bei den diesjährigen Aachener Bausachverständigentagen am 17. und 18. April 2023 zu Radon vortragen. In Ihrem Vortrag soll es vor allem um Fehlinterpretationen beim Radonschutz gehen. Was ist ihrer Einschätzung nach die häufigste Fehlinterpretation?

Leicht: Zunächst einmal besteht häufig Unkenntnis darüber, dass die Radonkonzentration im Tagesverlauf und auch im Jahresverlauf nicht konstant ist, sondern deutlichen Schwankungen unterliegt. Somit spielt es also bei Radonmessungen eine wesentliche Rolle, wann im Jahr und vor allem auch wie lange gemessen wird. Dies hatte auch die Gesetzgebung im Blick, indem zur Ermittlung der Radonaktivitätskonzentration in Innenräumen – in Aufenthaltsräumen und an Arbeitsplätzen – der Jahresmittelwert zu erfassen ist. Kurzzeitige Messungen sind zur Ermittlung eines möglichen Radonproblems in Innenräumen nicht geeignet!

 

BauSV: Wie wichtig sind denn im Zusammenhang mit Messungen sogenannte Bodenluftmessungen beispielsweise vor Baubeginn?

Leicht: Auch hier gilt natürlich: Da die Radonkonzentration schwankt und Radon im Boden nicht homogen verteilt ist, ist die Aussagekraft von Bodenluftmessungen eingeschränkt. Derartige Messungen können bestenfalls eine indikative Aussage liefern, in welchen etwaigen Mengen Radon in diesem Baugrund vorhanden sein könnte.

Man darf jedoch nicht überrascht sein, wenn selbst innerhalb eines Grundstückes mit beispielsweise sechs Messpunkten dann Werte zwischen 15.000 und 80.000 Bq/m3 in der Bodenluft ermittelt werden. Welche Konsequenz will man anhand derartiger heterogener Ergebnisse nun für den baulichen Radonschutz ziehen? Meine Empfehlung lautet hier, den zeitlichen und letztlich monetären Aufwand für Bodenluftmessungen einzusparen und dieses Budget besser bereits in Produkte für den baulichen Radonschutz zu investieren. Eine Ausnahme können Bauvorhaben mit sehr großen Grundrissdimensionen und demzufolge einer größeren abzudichtenden Fläche darstellen.

Baugrundmessungen sind also erstens nicht gesetzlich vorgeschrieben und erfüllen zweitens per se nicht unbedingt den zugedachten Zweck der Beurteilung der Radonsituation – die Sinnhaftigkeit ist also für das konkrete Bauvorhaben jeweils zu hinterfragen.

 

BauSV: Ist Radonschutz denn ein nennenswerter Kostentreiber?

Leicht: Nein, Radonschutz kann gerade im Neubau häufig mit überschaubaren Mitteln beziehungsweise geringem Mehraufwand erbracht werden. Im Fokus sollten die Durchdringungen durch die Bodenplatte und erdberührte Wände stehen. Hier gibt es entsprechende Einbauteile wie Mauerkragen, Ringraumdichtungen oder Manschetten, die mit verhältnismäßig geringem Aufwand im Neubau eingebaut werden können und eine gute Barriere für den Radoneintritt in das Gebäude darstellen.

Voraussetzung ist natürlich immer, dass die jeweiligen Produkte und Baustoffe auch gemäß den Herstellervorgaben eingebaut und verwendet werden. In meinen Radonschulungen trichtere ich den Teilnehmern den folgenden Satz ein: »Der beste Baustoff ist nur so gut wie seine schlechteste Verwendung«.

 

BauSV: Und wie sieht es mit Lüftung zum Radonschutz aus, dies ist ja eine geeignete Möglichkeit gerade für Bestandsgebäude?

Leicht: Hier gibt es einen Zielkonflikt zwischen Lüftung zum Feuchteschutz und der Innenraumhygiene, wo die Lüftung eher auf Unterdruck ausgelegt sein sollte, und der Lüftung zum Radonschutz, bei der ein Überdruck im Gebäude vorherrschen sollte. Überdrucklüftung erfordert ein Mindestmaß an Dichtheit der Gebäudehülle, was zum Beispiel zunächst durch einen Blower-Door-Test überprüft und nachgewiesen werden sollte. Sonst kann es zu den bekannten Kondensat–/Feuchteschadensfällen zum Beispiel in der Dachkonstruktion kommen.

 

BauSV: Wie sinnvoll sind denn nun Radonschutzmaßnahmen überhaupt?

Leicht: Maßnahmen sind immer dort sinnvoll, wo das eigentliche Schutzziel, nämlich der Mensch, im Fokus steht. Der Gesetzgeber hat hierfür diejenigen Aufenthaltsräume und Arbeitsplätze vorgesehen, in denen ein regelmäßiger Aufenthalt von Menschen stattfindet. Es ergibt also beispielsweise keinen Sinn, eine Tiefgarage aufwendig mit Radonschutzfolien abzudichten, da sich dort das »Schutzziel Mensch« ja nicht in nennenswertem Zeitumfang aufhält.

 

BauSV: Die Radonkarte wurde kürzlich vom Bundesamt für Strahlenschutz überarbeitet und neu veröffentlicht. Welche Aussagekraft haben derartige Karten für die Baupraxis?

Leicht: Hier galt und gilt weiterhin: Die Aussagekraft derartiger Karten ist stark eingeschränkt, da die Skalierung stark interpoliert wurde. Anhand der Karte ist keine Aussage für ein konkretes Anwesen oder Baugrundstück möglich. Diese wichtige Information ist nunmehr auch unmittelbar in der Legende der Karte aufgeführt, was sehr zu begrüßen ist. Gerade die Gefahr von Fehlinterpretationen ist hier groß. Wenn ich also mein konkretes Gebäude beurteilen möchte, komme ich um Messungen in meinen entsprechenden Räumen nicht herum. Die erwähnte neue Bodenluftkarte finden Sie übrigens auf der Website des Bundesamts für Strahlenschutz.

 

BauSV: Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Leicht.

 

Karin Leicht, Dipl.-Ing. (BA) ist Radonfachperson und von der IHK Würzburg-Schweinfurt öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Schäden an Gebäuden – Zertifizierte Sachverständige für Schäden an Gebäuden (EIPOSCERT).


Kontakt

Karin Leicht, Dipl.-Ing. (BA)
LEICHT Sachverständige
Maillingerstr. 9
97082 Würzburg
Telefon: 0931 94039696
Telefax: 0931 94034974
Mobil: 0151 17979799
E-Mail: leicht@leicht-sv.de
Internet: www.leicht-sv.de


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